Große Koalition der Angst

Ein halbes Jahr vor der Wahl sieht die Bremer SPD ihre Felle davonschwimmen. Zu Rot-Grün mag sich niemand bekennen, von Wechselstimmung keine Spur: Bremen droht die vierte große Koalition

von Armin Simon

„Nur verlieren“ könne man damit, mit einer Aussage dazu, da sind sie sich durch die Bank einig: Abgeordnete wie Partei-Funktionäre, altgediente GenossInnen wie junge SozialdemokratInnen. Nicht in dieser Situation. Nicht an diesem Abend. Nicht zu diesem Thema. „Gibt es Alternativen zur großen Koalition in Bremen?“, wollte die taz wissen, eine Podiumsdiskussion zum 20. Geburtstag der Bremer taz-Ausgabe. Grüne und Linkspartei.PDS kamen. Die SPD sagte wieder ab.

Man wolle nicht noch einmal den „eklatanten Fehler“ der Vergangenheit wiederholen und die eigene Verhandlungsposition vorzeitig schwächen, erklärt die Vorsitzende des Unterbezirks Bremen-Stadt, Carmen Emigholz. Jede Koalitionsaussage, so das Kalkül, stärkt nur den möglichen Partner.

Zwar ist die SPD, wie CDU-Mann Helmut Pflugradt betont, „rot-grün getrimmt“. Und kaum einE GenossIn macht einen Hehl daraus, dass der „Frust über die große Koalition groß“ ist. Aber trotzdem traut sich niemand, auch nur laut nachzudenken über Alternativen, die sich nach der Bürgerschaftswahl im Mai 2007 ergeben könnten. „Alle Optionen offen halten“ lautet die vom Vorstand ausgegebene Devise. Nächste Woche beginnt die Mandatskommission der SPD damit, die Liste für die Bürgerschaftswahl zu besetzen, ein Parteitag soll den Vorschlag am 7. November absegnen. Wer einen der vorderen Plätze ergattern will, gibt sich zuvor keine Blöße.

Zumal die Offenheit, gerade auch in Richtung CDU, inzwischen vielen GenossInnen nötiger denn je erscheint. Denn die Situation für die SPD sieht derzeit alles andere als rosig aus. Zwei Untersuchungsausschüsse wird die Bürgerschaft heute einsetzen, einen zum Fall Kevin und einen zur Krankenhaus-Affäre. Beide Skandale, das Kleinkind, das in Vormundschaft des Staates starb, wie die dubiosen Klinikmanager, die die kommunalen Krankenhäuser um Millionen brachten, fallen aufs SPD-geführte Sozialressort zurück – und die Aufklärung der Missstände findet mitten im Wahlkampf statt. CDU wie Grüne werden versuchen, davon zu profitieren. Und links wie rechts drohen weitere Parteien, der SPD Parlamentssitze streitig zu machen. „Wir sind froh, dass wir noch Zeit haben“, so drückt es Emigholz aus.

Dass die SPD allerdings, wie 2003, noch über die 40 Prozent kommt, halten selbst GenossInnen für unwahrscheinlich. Damit sinkt der Spielraum für eine Koalition mit einem kleineren Partner. „Man muss krisenfrei regieren können, nicht jede Parlamentssitzung darf zur Zitterpartie werden“, sagt Emigholz. Soll heißen: Je nach Wahlausgang könnte die CDU doch der bessere Partner sein – Frust hin, Frust her. „Das wird alles ganz rational ablaufen“, ist sich ein Genosse sicher. Mit einem echten Wechselwahlkampf um Stimmen zu werben, hat die SPD weder die Lust noch den Mut. Emigholz: „Ob die Stimmungslage, die Sachlage, die Verhandlungslage für einen Wechsel da ist, das muss man ausloten.“