„Innovation wird gebührenpflichtig“

KRITIK Die Pläne der USA beeinflussen auch die Diskussion in Europa, sagt Alexander Sander von der Digitalen Gesellschaft

■ Der 30-Jährige ist Geschäftsführer der Digitalen Gesellschaft. Zuvor war er drei Jahre in Brüssel Mitarbeiter eines Mitglieds des Europäischen Parlaments.

taz: Herr Sander, die USA planen das Ende der Netzneutralität. Was bedeutet das für die Debatte in Europa?

Alexander Sander: Hier läuft aktuell die Debatte noch. Zwar hat sich das EU-Parlament kürzlich für die Netzneutralität starkgemacht, der Europäische Rat muss sich aber noch positionieren. Die Pläne in den USA nutzen jetzt in erster Linie denjenigen, die die Netzneutralität abschaffen wollen. Die können jetzt sagen: Schaut her, die USA machen das doch auch.

Können auch die Verfechter der Netzneutralität in Europa profitieren?

Wenn man noch in diesem Jahr konkrete Auswirkungen in den USA merkt, dann schon. Etwa wenn Verbraucher gegängelt werden oder es Start-ups schwerer haben. Solche negativen Auswirkungen können die Debatte auch positiv beeinflussen.

Welche Schwierigkeiten drohen denn den Start-ups?

Wenn etwa Skype dafür zahlt, dass sein Dienst bevorzugt wird, und sich ein Start-up gründet, das einen ähnlichen Dienst anbieten will, konkurriert es künftig auch um schnelle Internetleitungen. Dieses Geld kann dann nicht für tatsächliche Innovationen genutzt werden. Innovationen werden damit gebührenpflichtig.

Die US-Kommunikationsbehörde FCC plant, dass Provider keine Dienste verlangsamen dürfen, sondern finanzstarke Anbieter ihre Inhalte schneller durchs Netz leiten lassen können. Was spricht dagegen?

Das Kernproblem ist, dass der weltweite Internetverkehr permanent zunimmt und gleichzeitig der Breitbandausbau kaum vorankommt. Das führt schon jetzt automatisch zu einer Drosselung der Geschwindigkeit. Wenn dann eine Art Überholspur dazugekauft wird, ist das keine direkte Drosselung, aber eine indirekte wegen mangelnder Leitungen. Am Ende gibt es trotzdem ein Zweiklasseninternet.

Welche Nachteile haben dann die Verbraucher?

Es wird zunächst zu einem kaum durchschaubaren Tarifdschungel kommen. Es wird unendlich viele Tarifoptionen geben, mit Paketpreisen und so weiter. Der normale Verbraucher wird kaum mehr überblicken, was für einen Internetvertrag er benötigt.

Aber wer vorwiegend Streamingdienste nutzt, profitiert?

Das ist eine Minderheit. Für die meisten wird es schlechter.

Für viele ist Netzneutralität ein sehr abstraktes Thema …

… das stimmt, sexy ist das nicht. Aber wir versuchen das durch einfache Formulierungen verständlich zu machen.

INTERVIEW: PAUL WRUSCH