WALTRAUD SCHWAB GEMÜSE IST MEINE WURST
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Jetzt fragen mich Kolleginnen schon, warum ich diese Gemüsekiste, die mir der Bauer jeden zweiten Donnerstagmorgen vor die Tür stellt, eine Gemüsekiste, in der im Winter vor allem Kartoffeln, Rüben und Kohl sind, warum ich also diese Kiste nicht abbestelle. „Hallo, Kolleginnen“, frage ich deshalb zurück, „würdet ihr den Mond abbestellen, weil er euch mitunter schlaflos macht? Würdet ihr das Wasser abbestellen, weil es euch nass macht? Würdet ihr die Straßen abbestellen, weil Menschen darauf zu Tode kommen?“

Ich fühle mich der Gemüsekiste und dem Bauer-Anarchisten, der sie mir bringt, verbunden. Ich kannte ihn schon, bevor ich die Frau kennenlernte, mit der ich seit fünfzehn Jahren das Leben – und folglich auch die Gemüsekiste – teile. Verbundenheit ist sehr wertvoll. Und Gemüse, vor allem das, das im Boden wächst, schafft Verbundenheit mit der Erde, weil es erdet.

Seit ich, der Inspiration meiner Schwester sei Dank, die Smoothies entdeckt habe, ist die Gemüsekiste ein Vergnügen. Denn pürierter Kohl schmeckt wie Birne, pürierte Sellerie wie Quitte, pürierte Rukola wie Grapefruit. Neulich hatte der Ressortleiter seine Tochter da und die bekam Hipp-Fruchtpüree. „Das hab ich auch“, sagte ich, zog mein Glas mit Smoothie aus der Tasche. Er kostete. Seine Frau kostete. Sie tranken es aus.

In der Kiste waren: je ein Bund Schnittlauch und Rukola, 850 g Karotten, 5 Eier, 700 g Zwiebeln, 850 g Weißkohl, 500 g Rüben (unklare Spezies), 1,8 kg Kartoffeln.

Einiges davon kam am Morgen in meinen Smoothie. Die Zutaten: zwei Birnen, eine Banane, eine Karotte, ein paar Weißkohlblätter, ein paar Rukolablätter, Kornelkirschensaft, ein paar Scheiben Honigmelone, ein Löffel Honig, zwei Kumquats, ein Zweigchen Brennnessel vom Balkon und ein Prise afrikanische Gewürzmischung. Das Ergebnis teile ich mit niemandem. Auch nicht mit meiner Gefährtin. Sie isst lieber Fleisch.

Abwechselnd besprechen wir hier Würste und bedienen uns aus der Gemüsekiste