HEIKE HAARHOFF ZUR GEPLANTEN ABSTIMMUNG ÜBER DEN EMBRYONENSCHUTZ
: Eine Gewissensfrage von vielen

Medizinethische Fragen sind Gewissensentscheidungen. Deswegen ist es richtig, bei der Abstimmung über die Präimplantationsdiagnostik (PID) im Parlament den Fraktionszwang aufzuheben. Richtig ist auch, dass die Abstimmung bald kommt. Denn PID ist keine neue Erfindung, sondern seit bald zwanzig Jahren bekannt und erprobt – jedenfalls im europäischen Ausland.

Auf moralisch strittige Fragen Antworten zu finden, ist Aufgabe des Parlaments. Dazu gehört die Frage, ob Embryonen untersucht werden dürfen, bevor sie in den Mutterleib eingesetzt werden, wenn dadurch die Weitergabe von Erbkrankheiten verhindert werden kann. Das ist besser, als die Entscheidung – wie zuletzt geschehen – den Gerichten zu überlassen.

Mit einem einfachen Ja oder Nein zur PID allein ist es aber nicht getan. Geklärt werden muss, welche Krankheitsbilder untersucht werden dürfen. Oder anders formuliert: Wann gilt eine Erbkrankheit als schwer, sehr schwer, gar tödlich? Diese Begriffe sind relativ. Welche Diagnose rechtfertigt, dass ein Embryo verworfen wird? Was geschieht mit den überschüssigen Embryonen aus der Befruchtung im Labor? Und: Wie und wer soll Paare beraten, die sich für oder gegen einen Embryo mit Gendefekt entscheiden müssen?

Der Streit über die PID wird Debatten über die Fortpflanzungsmedizin nach sich ziehen, hoffentlich. Die müssen sich zur veränderten Lebenswirklichkeit verhalten. So gibt es seit Einführung des Embryonenschutzgesetzes 1990 Kinder mit fünf Elternteilen: der Eizellspenderin und dem Samenspender als genetischen Eltern, der Leihmutter als biologischer Mutter sowie den sozialen Eltern, die das Kind großziehen. Verglichen damit, mutet die PID-Debatte fast banal an.

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