Keine Zwangsbespaßung

In der Medizinischen Hochschule Hannover sind seit 10 Jahren die „Clinic-Clowns“ unterwegs, um kranke Kinder aufzumuntern. Zeit für einen Rückblick

Auf Station 64B gerät man nicht zufällig. Bruno ist auf dem Weg dorthin, zur Onkologischen Kinderstation der Medizinischen Hochschule Hannover. Anders als den üblichen Besuchern oder den Patienten steht ihm keine Sorge ins Gesicht geschrieben. Zumindest würde man sie nicht vermuten unter seiner roten Plastiknase. Bruno ist „Clinic-Clown“: Tag für Tag muntert er die jungen Patienten auf, zaubert ihnen was vor, macht Musik oder erzählt Geschichten.

„Vor einiger Zeit“, erzählt Bruno, „wollte ich zwei Jungs besuchen, die gerade an ihrem Chemo-Tropf hingen. Die Stationsschwestern rieten mir ab – beide Teenager seien miserabel gelaunt und mit ihren 13 Jahren zu alt für die üblichen Späße. Also habe ich mit ihnen zwei Stunden Skat gespielt. Anschließend sah ihre Welt wieder ein bisschen rosiger aus.“ Noch vor 15 Jahren war Bruno der Unternehmer Reinhard Kabus-Duprée. Vom Auszubildenden hatte er sich zum Geschäftsführer hochgearbeitet, leitete fast 30 Jahre lang die Schreibwarenkette Göbelhoff in Hannover mit 150 Angestellten. „Dennoch habe ich es vermisst, meine musische und soziale Ader ausleben zu können.“ So besuchte Kabus-Duprée nebenbei die Clownschule. Nach zwei Jahren verkaufte er das Unternehmen und wurde Bruno. Seit zehn Jahren sind er, Fanny, Scharlotta, Petronella, Pipette, Mandarine, Nick und Moritz in und um Hannover aktiv. Heute gehören die Clowns zum festen Inventar jeder Kinderstation. Gerade die Verwundbarkeit und Berührbarkeit der grell geschminkten Figuren kann bei kleinen Patienten Brücken schlagen, die kein Arzt oder Psychologe bieten kann.

Einer von Brunos Klienten ist Lena Wunsch. In den vergangenen drei Jahren musste die 19-Jährige wegen einer Krebserkrankung immer wieder mehrere Monate auf 64B verbringen. Hier passiere „alles andere als eine unbeschwerte Kindheit“, sagt sie. „Ich finde es großartig, dass Menschen wie Bruno es schaffen, den schmalen Grat zwischen Mitleid und professioneller Distanz zu finden.“ Wenn sie mal Ablenkung braucht, unterhält Lena Wunsch sich mit Bruno über das Leben. Oder über Kafka.

„Es geht bei uns nicht um Zwangsbespaßung“, betont Bruno. Wenn ein Kind „mal keinen Clown sehen möchte, ist das völlig in Ordnung“. Einfühlungsvermögen und emotionale Authentizität zeichnen die Clinic-Clowns aus. Häufig sind sie damit nicht nur für die Patienten eine Stütze, sondern auch für Angehörige. Und für die Angestellten – von der Putzfrau bis zum Chefarzt. JESSICA RICCÒ

Die Clinic-Clowns in Aktion: heute, Samstag, 15–18.30 Uhr, MHH, Klinisches Lehrgebäude J1