Wenn ich nicht hier bin, bin ich aufm Sonnendeck

WASSER Vier der fünf BVG-Fähren im Bezirk Treptow-Köpenick fahren jetzt mit Solarstrom, den sie sogar selbst erzeugen

■ Zehn Fähren verkehren ganzjährig oder saisonal in Berlin, fünf davon im Auftrag der Berliner Verkehrsbetriebe. Die bekannteste dürfte die Wannseefähre F10 sein, die man – genau wie die anderen vier – mit einem normalen BVG-Ticket nutzen kann.

■ Die übrigen fünf Fähren verbinden allesamt Orte am Havelufer. Sehr überschaubare Strecken legen die Fähren zur Pfaueninsel und zur Insel Scharfenberg im Tegeler See zurück. Letztere dient in erster Linie den Schülern der Schulfarm Scharfenberg zum täglichen Übersetzen.

■ Geschichte ist vorerst Berlins wohl originellste Fähre – die F24, die bis zum Jahr 2013 ebenfalls für die BVG die Müggelspree bei Rahnsdorf als Ruderboot überquerte. Der Betrieb wurde nicht mehr für lohnend erachtet, auch die fehlende Barrierefreiheit wurde als Argument angeführt. Die Einstellung der Ruderfähre (und das nach 102 Jahren), die in jedem Reiseführer erwähnt wurde, sorgte bei den Anwohnern für Empörung. Aber es half alles nichts: Jetzt wird einer der beiden Anleger von der F23 mitbedient – allerdings erst ab Mitte April. Bis dahin muss noch ein Magnetsystem eingebaut werden, das bei den neuen Fähren ein Anlegen ohne händische Vertäuung möglich macht. (taz)

TEXT CLAUDIUS PRÖSSER
FOTOS SONJA TRABANDT

„Wie, nur ein Halt? Ne Kurzstrecke sind doch sechs Haltestellen?“ Der junge Mann tut nur aufgebracht, und Guido Bartsch trifft den richtigen Tonfall: „Sie können drüben gerne noch die fünf laufen“, grinst der Kapitän. „Da kommt nämlich erst mal 20 Minuten nüscht.“ Kein Ding. Der Kunde bekommt sein Ticket – einmal Kurzstrecke BC – und stempelt, während der Motor des Katamarans anspringt. Fähralltag auf der Linie F11 zwischen Baumschulenweg und Oberschöneweide.

Bartsch, 40 Jahre, weißes Hemd, kleiner Schnäuzer, fährt hier seit dem 1. Januar tagsüber im Zehn-Minuten-Takt hin und her. Vorher war er jahrelang auf der F10 unterwegs, die Wannsee mit Kladow verbindet. Hier in Treptow-Köpenick ist die Verbindung deutlich kürzer – „wenn die Manöver perfekt laufen, bin ich 90 Sekunden unterwegs“ –, und jetzt im Frühjahr ist es trotz strahlenden Sonnenscheins noch reichlich leer. „Das ändert sich im Sommer, wenn die Datschen auf der Rummelsburger Seite dauerbewohnt sind“, sagt Bartsch. „Außerdem sind wir Teil des Europaradwegs R1.“

Vielleicht hat der Fährmann in den kommenden Monaten auch ein paar Passagiere mehr, weil die mal erleben wollen, wie es sich solarbetrieben fährt auf Berlins Gewässern. Das weißblaue Gefährt mit Radar auf dem Dach und BVG-Logo an der Seite ist eines von vieren, die ab diesem Jahr mit Sonnenkraft unterwegs sind. Alle Solarfähren verkehren im Bezirk Treptow-Köpenick, die F11 und die F12 zwischen Grünau und Wendenschloß sogar das ganze Jahr über, wenn die Spree und Dahme nicht zufrieren. Am Montag kommen die beiden saisonalen Fähren hinzu: die F21 zwischen Schmöckwitz und Krampenburg sowie die F23 mit mehreren Halten rund um Rahnsdorf am Müggelsee.

In Diensten der BVG holt Kapitän Bartsch nicht über: Er arbeitet für die Weiße Flotte Stralsund. Die hat mit ihrem nachhaltigen Solarkonzept die Ausschreibung für die kommenden 16 Jahre gewonnen und den Auftrag damit der in Treptow ansässigen Stern und Kreisschifffahrt GmbH abgeluchst. Gebaut wurden die vier emissionsfreien Katamarane, die durch ihre relativ geringe Verdrängung weniger Antriebsenergie benötigen, in der Stralsunder Formstaal-Werft.

Die Solarzellen auf dem Dach sollen bei ausreichender Sonneneinstrahlung zum Fahren ausreichen – den Rest liefert eine Batterie, die nachts aus der Steckdose betankt wird. Wie viel Saft die Sonne über Berlin tatsächlich liefert, wird sich laut Petra Reetz zeigen: „Im kommenden September unterhalten wir uns darüber“, kündigt die Sprecherin der BVG an. „Richtig auswerten kann man den Verbrauch eines Fahrzeugs eigentlich nur im 12-Monats-Rhythmus. Gerade haben wir Glück mit den vielen Sonnentagen, aber das muss ja nicht so bleiben.“

Offene Fragen gibt es auch beim Thema Barrierefreiheit. Die BVG weiß genau, dass außer Radfahrern auch Menschen in Rollstühlen, mit Kinderwagen oder Rollatoren die Fähren nutzen wollen – und hat für entsprechende Standards gesorgt. Dass die Sommer-Linie F21 nicht barrierefrei ist, liegt in der Verantwortung des Bezirks Treptow-Köpenick. Er müsste die Treppenanlage, die in Schmöckwitz zum Anleger hinunterführt, rollstuhlgerecht umbauen. Geld ist mal wieder knapp, aber laut BVG befindet man sich im Gespräch. Im Prinzip können pro Solarschiff rund 40 Menschen sitzend und 15 stehend übersetzen – und dann passen immer noch 10 Fahrräder und zwei Rollis auf Deck.

Die fünfte Fähre, die im Auftrag der BVG unterwegs ist, die Wannseelinie F10, bietet deutlich mehr Platz. Auf das neue Schiff, das noch von Stern und Kreis gestellt wird und auch noch mit Diesel fährt, passen rund 300 Personen. Viele sind hier regelmäßig unterwegs, und manche beklagen sich bitterlich, seit sie im Januar feststellen mussten, dass es aus ist mit Havelbrise im Haar und einem 30-minütigen Sonnenbad: Die neue F10 hat kein Oberdeck mehr, noch nicht mal einen kleinen offenen Bereich. Der Blick geht immer durch Fensterscheiben.

S-Bahn-Feeling auf dem Wannsee? BVG-Sprecherin Reetz sagt: „Dass die Wannseefähre kein Sonnendeck mehr hat, hat einen strategischen Grund.“ Aber nicht, wie man nun mutmaßen könnte, das Vergraulen von Sommerfrischlern, die mit ihrer BVG-Umweltkarte quasi Bootstouren für lau unternehmen. Nein: „Nur so konnten wir deutlich mehr Platz für Fahrräder, Kinderwagen und Rollstühle schaffen“, erklärt Reetz. Ein Oberdeck benötige einen entsprechenden Unterbau, der kostbaren Platz verbrauche – Platz für den deutlich wachsenden Fahrradverkehr. „Noch vergangenes Jahr mussten Radfahrer manchmal zwei oder drei Fähren abwarten, um mitgenommen zu werden. Die finden jetzt alle Platz.“