NÄHME BAYERN DIE STANDORTPOLITIK ERNST, WÄRE EIN RÜCKTRITT FÄLLIG
: Gammelfleisch im föderalen System

Im Gammelfleisch-Skandal geht es längst um mehr und anderes als Verbraucherinteressen. Er ist zum Machtkampf zwischen Bund und Ländern geworden. Bundesminister Horst Seehofer will die unappetitliche Affäre nutzen, um dem Bund mehr Einfluss bei der Lebensmittelkontrolle zu verschaffen. Zwingend ist das nicht.

Zunächst liegt der Vorteil auf Seehofers Seite. Derzeit sind die Länder zuständig, jeder neue Skandal gibt ihm ein zusätzliches Argument für mehr Zentralisierung. Für bundeseinheitliche Standards spricht auch, dass Lebensmittel meist über Ländergrenzen hinweg gehandelt werden. Und gegen gemeinsame Mindeststandards, die festlegen, welcher Betrieb wie oft und wie scharf zu kontrollieren ist, ist auch niemand. Solche Standards gibt es bereits und sie werden derzeit ohnehin verschärft. Bund und Länder wirken hierbei zusammen. Dass die Länder darüber hinaus noch Spielräume haben, macht Sinn. Denn wenn es Mindeststandards gibt, können sie sich eigentlich nur mit strengeren Standards profilieren.

Für die Kontrollen vor Ort sind derzeit allerdings die Kommunen zuständig. Hier besteht natürlich die Gefahr, dass im Interesse heimischer Arbeitsplätze und Gewinne eher mal ein Auge zugedrückt wird. Für effiziente Kontrollen müssen deshalb zunächst die Länder sorgen. Eine Bundeskontrolle der Länder-Kontroll-Kontrolleure wäre wirklich absurd.

Wenn aber die Hauptverantwortung bei den Ländern bleibt, dann muss der zuständige bayerische Minister Schnappauf sofort zurücktreten oder entlassen werden. Die Politik muss spüren, dass ein nachlässiges Lebensmittel-Management den Verantwortlichen ein Karriereproblem beschert. Das ist die Währung, die die Politik versteht. Und dann müssen einzelne Länder die Chance nutzen, besonders effiziente Kontrollen einzuführen und damit zu werben. „Kontrolliert in X-Land“ könnte dann zu einem Kaufargument bei den Verbrauchern werden – wenn diese sich auch fünf Monate nach einem Skandal noch für Lebensmittelkontrolle interessieren. CHRISTIAN RATH