Millionenwunder im Berliner Spreedreieck

IMMOBILIENSKANDAL Trotz zahlreicher Fehler bei einem Verkauf will das Land Berlin Gewinn gemacht haben

Die Kritiker der Regierung sprechen von Schönfärberei und Mondzahlen

BERLIN taz | In dieser Geschichte kommt alles zusammen: ein jüdischer Theatergründer und die Nazis, ein Grundstück, das Architekten- und Ost-West-Geschichte geschrieben hat. CDU- und SPD-Politiker, die versuchen, alles gut zu machen, und sich stets nur tiefer in die Misere reiten. Und ein Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, der nach zwei Jahren ein erstaunliche Ergebnis abliefert.

Zwar haben Politik und Verwaltung beim Verkauf des sogenannten Spreedreiecks in Berlin-Mitte so ziemlich alles falsch gemacht. Dennoch soll das Land Berlin am Ende gut 4 Millionen Euro Überschuss erzielt haben. Das erzählten am Montag die Vertreter der rot-roten Regierungskoalition bei der Präsentation ihrer Untersuchungsergebnisse. Die Opposition, der Landesrechnungshof und die Antikorruptionsorganisation Transparency International gehen hingegen von einem Schaden zwischen 8 und 30 Millionen Euro für das Land aus.

Das Spreedreieck liegt unmittelbar neben dem Bahnhof Friedrichstraße. Zu Mauerzeiten stand hier der Tränenpalast, ein gläsernes Gebäude, in dem sich Ostberliner von Freunden und Verwandten verabschiedeten, die mit dem Zug in den Westteil der Stadt fuhren. Schon in den 1920er Jahren wurde das Grundstück berühmt, weil der Architekt Ludwig Mies van der Rohe dort ein Hochhaus geplant hatte. Sein Entwurf wurde nie verwirklicht, allerdings zu einer Ikone der modernen Architektur. Er beflügelt bis heute die Träume von Investoren – auch die von Harm Müller-Spreer.

Ende 2000 kaufte der Hamburger Immobilienentwickler das Grundstück vom Land Berlin für umgerechnet 17,2 Millionen Euro. Verantwortlich war der damalige Berliner Finanzsenator Peter Kurth (CDU). Der hatte allerdings übersehen, dass unter dem Areal die S-Bahn verkehrt und somit ein Stückchen der Bahn gehörte. Der Investor konnte nicht wie gewünscht bauen. Zur Entschädigung erstattete ihm das mittlerweile von SPD und PDS regierte Land 2004 gut 8 Millionen Euro vom Kaufpreis. Zudem bekam er noch Ersatzgrundstücke und die Erlaubnis, höher zu bauen.

Das reichte dem Investor nicht. Er plante ein um noch ein Drittel größeres Haus, was ihm unter Zeitdruck von der Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) genehmigt wurde. Prompt klagten die Eigner eines Hotels auf der anderen Straßenseite gegen die drohende Verschattung – und wurden vom Land mit nochmals 4 Millionen Euro beruhigt.

Um trotz dieser Millionenverluste noch einen Überschuss ausweisen zu können, bemühen SPD und Linke die Geschichte. Auf der anderen Spreeseite hatte einst Max Reinhardt das Deutsche Theater gebaut, das ihm die Nazis wegnahmen. Nach dem Mauerfall verlangten Reinhardts Erben rund 32 Millionen Euro Entschädigung. Ihr Rechtsnachfolger – nicht zufälligerweise ein Mann Namens Harm Müller-Spreer – wurde schließlich mit 15 Millionen Euro aus dem Spreedreieckverkauf abgefunden. Bleiben laut Rot-Rot rund 17 Millionen Euro übrig, die trotz der aufgelaufenen Millionenverluste bis heute nicht aufgebraucht wurden.

Die Opposition im Abgeordnetenhaus regt sich nun über „Schönfärberei“ auf. Transpanrency International bezeichnet die von den Erben geforderten 32 Millionen als „Mondzahl“, die man nicht mit den späteren Schäden verrechnen dürfe. Und am Spreedreieck? Da steht mittlerweile ein vollvermieteter Zehngeschosser. Harm Müller-Spreer dürfte seinen Schnitt gemacht haben. GEREON ASMUTH