Kritik an Spekulation mit Nahrungsmitteln

BÖRSEN Bundesagrarministerin Aigner prüft Maßnahmen gegen zu schnellen Preisanstieg

BERLIN taz | Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner erwägt Schritte gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln. Die CSU-Politikerin lässt prüfen, ob eine bessere Regulierung des Handels an den Warenterminbörsen nötig ist. „Es ist bedenklich, wenn Finanzinvestoren die Knappheit von Nahrungsmitteln nur dazu nutzen, Profit zu machen“, sagte Aigner am Freitag in Berlin.

Anfang 2008 erreichten die Preise für Weizen, Mais und Reis Höchststände. In Ägypten, Haiti und anderen Staaten brachen Hungerunruhen los, weil sich viele Menschen ihre Nahrungsmittel nicht mehr leisten konnten. Auch 2010 sind die Preise für manche Agrarrohstoffe wieder stark gestiegen – wenngleich nicht so besorgniserregend wie vor zwei Jahren.

Nicht nur Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) teilt diese Sorgen. Der Finanzmarktkommissar der Europäischen Union, Michel Barnier, hat erklärt, die Regeln für die Spekulation mit Agrarprodukten, aber auch Erdöl und Metallen verschärfen zu wollen. In einem Brief an die EU-Kommission fordert die französische Regierung zum Beispiel Obergrenzen für Rohstoffverträge an den europäischen Terminmärkten. Aigner äußert sich zu diesen konkreten Vorschlägen bisher nur vage.

Agrarexperten sind da schon weiter. Harald von Witzke, Agrarökonom der Berliner Humboldt-Universität, verweist auf Regeln, die an der Chicagoer Terminbörse CBOT in den USA existieren. Dort wird der Handel beispielsweise mit Weizen unterbrochen, wenn der Preis um mehr als 60 Cent pro Bushel (27,2 Kilogramm) im Vergleich zum Vortag zunimmt. Das soll verhindern, dass der Preis durch zu starke Spekulation oder automatisierten Computerhandel explosionsartig steigt. „Es wäre sinnvoll, eine solche Regelung auch an europäischen Rohstoffbörsen einzuführen, zum Beispiel am Handelsplatz Matif in Paris“, sagte von Witzke der taz.

Im Gegensatz zu Europa hat die US-Regulierungsbehörde CFTC auch bereits ein Informationssystem eingeführt, in dem man sehen kann, welchen Anteil Finanzinvestoren an den Geschäften haben. Ende Juli dieses Jahres waren die Lieferanten und Abnehmer von Weizen beispielsweise für gut 60 Prozent der Transaktionen verantwortlich, die Finanzinvestoren („non-commercials“) für knapp 40 Prozent. Ob Aigner ein solches System auch für Europa vorschwebt, verriet sie am Freitag nicht. Dass „Transparenz“ an den Börsen wichtig sei, betonte sie allerdings. HANNES KOCH