berliner szenen Keine Glaubensfrage

Spinnerfrei

Von der Mitte der Decke der Žehitlik-Moschee am Columbiadamm in Neukölln hängt ein imposanter Kronleuchter herab, der über und über mit Suren aus dem Koran verziert ist. Er sieht wirklich wunderbar aus, und es macht auch Spaß, ihn zu betrachten, wenn man überhaupt keine arabischen Schriftzeichen lesen kann.

An diesem Kronleuchter hängt aber noch etwas, das man erst bei genauerem Hinsehen entdeckt und was man dort als Laie nicht unbedingt vermuten würde: Straußeneier. Sie sehen aus wie überdimensionale, kunstvoll bemalte Ostereier. Aber Ostereier in einer Moschee? Und dann noch mitten im Sommer?

Senay, die mich in diese orientalische Welt mitgenommen hatte, war meinem Blick gefolgt.

„Gegen die Spinner“, sagte sie.

„Religiöse Spinner?“, fragte ich ungläubig.

„Nein, Spin-nen“, verbesserte sie meinen Hörfehler und grinste. „Die Tiere mit den Netzen.“

Dann erklärte sie mir, dass Straußeneier einen Geruch ausströmen, den unsere Nase zwar nicht wahrnimmt, den aber Spinnen ähnlich unangenehm empfinden wie Menschen eine drei Wochen lang nicht geputzte Bahnhofstoilette. Deshalb halten sich Spinnen von Orten fern, in denen Straußeneier aufgehängt sind.

„Und das funktioniert wirklich?“, fragte ich.

„Siehst du hier irgendwo Spinnweben?“

Ich sah keine. Ich war beeindruckt.

Schade, dass ich mich erst verhört habe, dachte ich. Es wäre doch klasse, wenn es auch bei religiösen Spinnern wirken würde. Ich wäre der Erste, der sich bereit erklärt, ein paar dieser Straußeneier in Kirchen einzuschmuggeln. DANIEL KLAUS