Proteste gegen Polizeigesetz

DEMONSTRATION Erneut gingen Samstag 5.000 Menschen gegen Gefahrengebiete auf die Straße. Laut Landeskriminalamt sind keine Autonomen für vermeintliche Attacke auf die Davidwache verantwortlich

Der Gefahrengebietspassus gehört laut Demonstranten als Hamburgensie im Polizeirecht abgeschafft

Das neue Demo-Utensil Klobürste durfte natürlich nicht fehlen, als am Samstag mehr als 5.000 Menschen aller Generationen unter dem Motto „Ausnahmezustand stoppen – politische Konflikte politisch lösen“ gegen polizeiliche Gefahrengebiete demonstriert haben. Mit Sprechchören wie „Feuer und Flamme der Repression“ und „Keine Ruhe dem Hamburger Senat“ zogen die Demonstranten durch das Schanzenviertel, Altona und St. Pauli, wo Anfang Januar zehn Tage lang der Ausnahmezustand herrschte.

Zu dem Protest hatten neben verschiedenen Initiativen und dem Netzwerk „Recht auf Stadt“, auch die Linkspartei, die Piraten-Partei, die Grünen und Attac aufgerufen. Die Demonstranten forderten, dass die polizeiliche Generalbefugnis aufgehoben wird, „auch wenn wir uns die Stadt inzwischen zurückerobert haben“, wie es eine Sprecherin auf der Auftakt-Kundgebung formulierte. Mit Klobürsten im Gepäck verspotteten Demo-Teilnehmer auch SPD-Bürgermeister Olaf Scholz, der den Ausnahmezustand für 80.000 Hamburger verteidigt hatte. So stand auf einem Transparent mit dem Konterfei des russischen Präsidenten Wladimir Putin: „Gut gemacht Olaf, so klappt’s auch mit Olympia!“

Besonders scharf gingen Redner mit der Rolle eines Großteils der Medien ins Gericht, die als Sprachrohr der Polizei „Pickelhauben-Journalismus“ praktiziert hätten. Sie seien aus beschlagnahmten Silvesterböllern „Sprengstoff“, aus Schals „Vermummungs-Utensilien“ und aus einer Klobürste eine „gefährliche Waffe“ geworden. Die Klobürste wurde dann in der Tat zur subversiven Waffe, als die Beamten bei Einsätzen im Gefahrengebiet mit Hohn und „Klo, Klo, Klobürsteneinsatz“-Rufen empfangen wurden. Aktuell gehe es wieder darum, die politischen Konflikte in den Fokus zu rücken, wie das Bleiberecht der Lampedusa-Flüchtlinge, den Erhalt der Roten Fora oder die Schaffung von sozialem Wohnraum.

Der Gefahrengebiets-Passus gehört nach Auffassung der Demonstranten als Hamburgensie im Polizeirecht abgeschafft. Der Passus lässt auf alleinige Weisung der Polizei ohne richterliche Überprüfung verdachtsunabhängige Personen- und Taschenkontrollen zu, die mit Aufenthaltsverboten und Ingewahrsamnahmen ihr Ende finden können.

Begründet worden ist der Ausnahmezustand am 4. Januar mit einem vermeintlichen Angriff von 30 bis 40 vermummten Autonomen auf die Davidwache, bei dem Polizisten mit Steinen beworfen worden sein sollen. Dass der mutmaßliche Angriff auf die Davidwache nicht so stattgefunden hat, wie die Polizei anfangs berichtet hatte, ist inzwischen durch Augenzeugen belegt worden. Schon zwei Mal musste die Polizei ihre erste Darstellung berichtigen.

Dem Spiegel liegt jetzt ein internes Papier des Landeskriminalamts vor, in dem sich auch kein Hinweis auf Täter aus dem linksautonomen Spektrum findet. Stattdessen heißt es dort: „Als sie (Anmerkung der Redaktion: die Kiez-Bummler) sich in Höhe der Davidwache befanden, nahmen Polizeibeamte Sprechchöre (u. a. USP-USP) wahr, wie sie sie aus Fußballeinsätzen kennen, weiterhin wurde Pyrotechnik entzündet.“ USP steht dabei für die Fangruppierung „Ultra Sankt Pauli“.

Die Grünen und die Linkspartei haben für die Bürgerschaftssitzung in dieser Woche Anträge gestellt, den Gefahrengebietspassus ersatzlos aus dem Polizeigesetz zu streichen. Die Piraten-Partei hat sogar eine Volksinitiative zwecks Volksentscheid gestartet.  KVA/STE