Am Nacktbadestrand von Sylt

HOMMAGE Wolfgang Neuss bereicherte den Film der 1950er- und 60er-Jahre mit subtilem Humor. Das Hamburger Metropolis widmet ihm eine Filmreihe

Im kollektiven Gedächtnis ist der Schauspieler und Kabarettist Wolfgang Neuss ja eher als der verschrumpelte Indianerhäuptling präsent, der kiffte und Richard von Weizsäcker 1983 als „Ritchie“ ansprach. Aber auch schon in den 1950er- und 60er-Jahren war Neuss’ Humor subversiv – und erfolgreich.

1955 trat er in zehn Filmen auf, meist mit seinem Partner Wolfgang Müller, mit dem zusammen er seit 1950 Kabarett machte. Ihr bekanntester gemeinsamer Auftritt war in Kurt Hoffmanns Film „Das Wirtshaus im Spessart“ von 1958, mit dem die kleine Hommage, die derzeit im Hamburger Metropolis gezeigt wird, beginnt. In „Das Wirtshaus im Spessart“ spielten Neuss und Müller zwei Räuber, die von einem ruhigen, bürgerlichen Leben träumen und dabei „Ach, das könnte schön sein ...“ singen. Diese Szene und die Hosenrolle von Lieselotte Pulver machten die Komödie zu einem Klassiker.

In Kurt Hoffmanns „Wir Wunderkinder“ von 1958 sind die beiden Wolfgangs in einer kabarettistischen Rahmenhandlung zu sehen: Mit bissigen Kommentaren präsentieren sie diese Satire über den Erfolg der opportunistischen Deutschen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

1960 folgten dann die Dreharbeiten von „Das Spukschloss im Spessart“, während denen Wolfgang Müller mit einem Flugzeug abstürzte und starb. Angeblich wurde Neuss sofort danach mit den Worten „Jetzt brauchen wir Sie auch nicht mehr!“ entlassen.

Auch Neuss’ Vorhaben, zusammen mit Müller „Wir Kellerkinder“ zu drehen, konnte nun nicht mehr realisiert werden. Statt Wolfgang Müller übernahm Wolfgang Gruner von den Berliner Stachelschweinen die zweite Hauptrolle. Neuss führte bei diesem Film auch die Regie. Er spielte darin einen Berliner Gassenjungen, der 1933 als Pimpf der HJ für den Führer trommelt und 1945 in aller Unschuld als Hakenkreuzschmierer verfolgt wird.

1962 gelang es Neuss, ganz Westdeutschland gegen sich aufzubringen, indem er am Tag vor der Ausstrahlung verriet, wer der Mörder in einem der damals so beliebten Durbridge-Mehrteiler war. Im gleichen Jahr kam unter seiner Regie „Genosse Münchhausen“ in die Kinos. In dieser Satire wird Neuss als der Bauer Oscar Puste mit zwei Sowjetkosmonauten auf die Venus geschossen. Aber die Rakete landet auf dem Nacktbadestrand von Sylt.

In der Verfilmung der Novelle „Katz und Maus“ von Günter Grass aus dem Jahr 1966 spielt Neuss eine Nebenrolle. Kurios ist der Film, weil in den Hauptrollen die beiden Söhne von Willy Brand auftraten. Ob Neuss dazu ein guter Spruch einfiel, ist leider nicht überliefert.  HIP

Hommage an Wolfgang Neuss: bis 29. 1., Metropolis, Hamburg