IM LAND OHNE SIMPLE ANTWORTEN AUF EINFACHE FRAGEN
: Von Trams und Hosen

VON JUTTA LIETSCH

NEBENSACHEN AUS PJÖNGJANG

Mein Wunsch, einmal in Pjöngjang Tram zu fahren, wird langsam zur Obsession. Einige der Straßenbahnen, die gemächlich durch die nordkoreanische Hauptstadt rattern, haben einst Dienst in Leipzig, Dresden oder Magdeburg getan. Anfang der neunziger Jahre wurden sie nach Nordkorea verkauft.

Bei jedem meiner seltenen Besuche in Pjöngjang habe ich deshalb meine Betreuer angefleht, mich einmal einsteigen zu lassen. „Nur eine Station!“ Doch Straßenbahn fahren ist für Ausländer in Nordkorea offenbar nicht möglich. Auch die kleine Schar der Diplomaten, Geschäftsleute und internationalen Helfer darf es nicht. Die Frage nach den Gründen verläuft immer wieder im Nichts: „Weil es nicht erlaubt ist!“

Warum es hingegen nach Voranmeldung manchmal gestattet ist, eine Kurzstrecke mit der U-Bahn zu fahren, bleibt unklar. Immerhin stammen einige Waggons ebenfalls aus Deutschland, konkreter: aus Berlin. In keinem anderen Land der Welt werden Besucher so vom Alltag abgeschottet wie in Nordkorea. Besonders misstrauisch reagieren die Behörden auf ausländische Journalisten.

Wer Glück hat, erwischt einen hilfsbereiten Funktionär, der auch mal wegschaut, wenn man sich Notizen über die Preise von Tomaten oder Fertignudeln im Kaufhaus „Paradies“ macht, auch wenn die Verkäuferin sagt: „Nichts aufschreiben!“ So ist die Verführung groß, sich über die merkwürdigsten Dinge Gedanken zu machen, spontane Beobachtungen zu verallgemeinern und wild zu interpretieren. Alles erscheint mysteriös, wo simple Erklärungen nicht zu erhalten sind.

Viele Frauen tragen zum Beispiel in Pjöngjang neuerdings Hosen – anders als bei früheren Besuchen. Damals hieß es, Hosen seien für Hauptstädterinnen unschicklich. Für Frauen außerhalb Pjöngjangs, für Bäuerinnen, Soldatinnen und Arbeiterinnen bei der Straßenreparatur, galt das aber nicht. Eine ausländische Bewohnerin bestätigt meine Beobachtung.

Gibt es also eine neue Kleiderordnung? „Nein!“, antwortet mein Betreuer stoisch, „das war schon immer so.“ Ich prüfe Fotos meiner letzten Reisen. Alle Frauen in der Stadt tragen darauf Röcke. „Wissen Sie, wir müssen uns schützen!“, erklärt mir der Funktionär die Informationspolitik seines Landes. „Wir wollen nicht, dass unser Ansehen im Ausland beschädigt wird.“

Nordkorea bleibt ein Land voller Rätsel. Zum Abschied bekomme ich die Bitte mit auf den Weg: „Berichten Sie objektiv!“