Viel Mut zum Schrägen

Eine aufwärts weisende Bilanz und ein großer Abwesender: Das Fazit zum Düsseldorfer Schumannfest

„Ehre das Alte hoch, bringe aber auch dem Neuen ein warmes Herz entgegen“. Diesen Satz des Komponisten Robert Schumann schrieben sich die Macher des Düsseldorfer Schumannfestes vor zwei Jahren ins Stammbuch, als sie dem brach liegenden Festival neues Leben einzuhauchen versprachen. Das Festival, das traditionell von der Düsseldorfer Robert Schumann Gesellschaft veranstaltet wird, hatte zuvor über die Jahre zähen Staub angesammelt und war erst in der Bedeutungslosigkeit versandet, bevor es ganz den Geist aufgab.

2004 ging jedoch ein neues Team an den Start, angeführt von der langjährigen Managerin des Düsseldorfer Altstadtherbst, Christiane Oxenfort, einer Fachfrau für das Fächer- und Genreübergreifende und für die Kunst populärer Vermittlung durch lokale Erdung. Man suchte und fand alternative Konzepte, neue Formate und bespielte die Landeshauptstadt weiträumig mit Schumann im Dialog mit der Gegenwart. Wenn auch zögerlich, ging die Rechnung auch schon vor zwei Jahren weitgehend auf. Die Rolle der treibenden Kraft und grauen Eminenz in Personalunion spielte dabei der damalige Vorsitzende der Schumann- Gesellschaft Wilhelm Simson, der in kernigem Bayrisch unermüdlich für die Initiative warb, Förderer akquirierte und sich als ambitionierter Überzeugungstäter erwies.

Das kulturelle Engagement des Top-Managers Simson, der bis 2003 zusammen mit Ulrich Hartmann die Geschicke der E.ON AG leitete, wirkte indes nie als taktisches Manöver zwecks eigenen Imageliftings. Doch schon nach dem ersten Festival-Durchgang legte Simson sein Amt nieder und empfahl die Weitergabe des Staffelstabs an RAG-Chef Werner Müller. Auf dem Papier ein mindestens ebenbürtiger Nachfolger, noch dazu ausgewiesener Klassik-Fan und Freizeit-Pianist.

Nun ging am letzten Wochenende das zweite Düsseldorfer Schumannfest mit in jeder Hinsicht aufwärts weisender Bilanz zu Ende und bis auf zwei Feigenblatt-Stippvisiten gab es einen großen Abwesenden: Werner Müller schien das eigene Festival nicht in den Terminplan zu passen, lediglich zur Eröffnung und beim Abschlusskonzert mit dem Mahler Chamber Orchestra unter Daniel Harding ließ er sich in der ausverkauften Tonhalle sehen. Dabei hätte er sich nicht verstecken müssen, denn mit rund 17.250 Besuchern bei 27 Veranstaltungen in 14 Tagen waren die Veranstaltungen mehr als gut ausgelastet. Das Programm, das einen Mix aus traditionellen Konzerten und experimentellem Formaten bot, geizte nicht mit großen Namen, bewies aber durchaus Mut zum Schrägen, Unbequemen. „Schumanns lange Nacht“ etwa war ein fünfstündiger Konzert-Performance-Marathon, der dem Publikum auf beschwerlicher Reise durch kahle Industriehallen das Trommelfeuer von Schallkanonen und Schlagwerkattacken nicht ersparte. „Nachtwanderungen“, “Music for one“ und das Multimedia-Klangkunstwerk „KOMET“ des Frankfurter electronic musik theater begingen teilweise ähnlich steinige Experiment- Pfade, konnten sich aber lebhaften Interesses erfreuen. Freilich gab es auch süffige Symphonik, den Burgschauspieler Brandauer als Rezitator, Barenboim mit der Berliner Staatskapelle und ein paar glänzende Vertretungen für ausgefallene Superstars. So gab es für jeden etwas, und vor allem Schumann satt, dessen Werk, insbesondere das durch sein Ende in der Irrenanstalt überschattete Spätwerk, noch immer in seiner ganzen Breite zu entdecken ist.

Den Vorsitzenden Müller, der schon bei der ersten Pressekonferenz etwas zu lässig gewirkt hatte und sich womöglich eine größere Bühne wünscht, vermisste am Ende wohl kaum einer mehr. Bleibt die Frage, wer hier wen wirklich braucht, und ob die glänzenden Industriekontakte, die Müller ja hat, der Förderung des Festivals tatsächlich zugute kommen. REGINE MÜLLER