LONDON: HINDUS SIEGEN ÜBER MUSLIMISCHEN GÖTTINNENMALER
: Wettlauf der Zensoren

Was die anderen können, das können wir schon lange. Nach diesem Motto wetteifern religiöse Organisationen in Großbritannien darum, wer die beste Zensur von Kunst erzwingt. Ob Muslime, Christen, Sikhs oder Hindus – alle haben in den vergangenen zwölf Monaten dafür gesorgt, dass in Großbritannien missliebige Theaterstücke abgesetzt, Fernsehsendungen gestoppt oder Ausstellungen geschlossen werden mussten.

Natürlich müssen die Verantwortlichen abwägen, wie groß das Risiko ist, Fundamentalisten nicht nachzugeben. Bei Salman Rushdies „Satanischen Versen“ hat sich gezeigt, dass die religiös Verblendeten nicht vor der Bereitschaft zum Mord zurückschrecken. Aber wer den Forderungen nach Zensur so bereitwillig nachgibt wie jetzt in Bezug auf den Maler Maqbool Fida Husain, der ermutigt die Fanatiker noch. Wenn es den Sikhs gelingt, Gurpreet Kaur Bhattis Stück „Behtzi“ über die Misshandlung von Frauen durch Sikhs zu verhindern, warum sollen es ihnen die Christen nicht mit dem Stück „Jerry Springer – The Opera“ gleichtun?

Der Fall Husain ist allerdings besonders lächerlich. Die Hindu Human Rights Group, die auch unter Hindus wenig Unterstützung hat, wirft dem Maler vor, dass er die Göttinnen Draupadi und Durga „entkleidet“ habe. Die Organisation hat diese gezwirbelte Sprache verwendet, weil sie Husain schlecht übel nehmen kann, die Göttinnen nackt gemalt zu haben: In zahlreichen Hindu-Tempeln sind die Götter und Göttinnen in durchaus erotischen Posen dargestellt. Den Eiferern der Hindu Human Rights Group passt es offenbar nicht, dass ein Muslim sich mit „ihrem“ Thema beschäftigt.

Wenn das so weiter geht, muss der britische Kulturbetrieb dicht machen. Irgendeine Sekte wird an fast jedem Stück und fast jeder Ausstellung irgendetwas auszusetzen haben. Auch der britischen Regierung sind Vorwürfe nicht zu ersparen. Statt jede Religion zur Privatsache zu erklären und sie aus den Schulen zu verbannen, soll die Leitung vieler staatlicher Schulen in den nächsten Jahren an Konfessionen übergeben werden. Und dieses Signal ist vollkommen falsch. RALF SOTSCHECK