Freie Schulen können freier atmen

In Sachsen müssen private Schulen künftig mehr Geld vom Land bekommen. Das freut sogar SPD und Linkspartei

Freien Schulen eher skeptisch gegenüberstehende Parteien wie die Linke oder die SPD avancierten plötzlich zu deren Anwälten

Das gab es in Sachsen lange nicht: Ein Urteil des Landesverfassungsgerichts wird von Klägern und Beklagten gleichermaßen gelobt! Dabei hatten doch die Leipziger Richter Mitte November den klagenden Oppositionsfraktionen von Linken, SPD und Bündnisgrünen in vollem Umfang recht gegeben und der Regierung aus CDU und FDP eine sanfte Ohrfeige erteilt. Die seit 2011 geltenden Sparmaßnahmen für Freie Schulen verletzten „die Pflicht zur Förderung des Ersatzschulwesens, die Privatschulfreiheit und das Gleichbehandlungsgebot“, stellte der Gerichtshof fest.

Diese jüngste Rehabilitierung im rund zwanzigjährigen Streit über die Finanzierung Freier Schulen in Sachsen bezeichnete nun deren sächsische Arbeitsgemeinschaft als „Sternstunde des demokratischen Rechtsstaates“. Aber auch Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) begrüßte die Klarstellungswirkung des Urteils und lobte die „bereichernde Wirkung“ freier Träger in einer bunten Schullandschaft.

Ein Sinneswandel, der nicht ganz überraschend kommt. Nach der ernüchternden Sachkostenevaluierung Freier Schulen und bei absehbarer Tendenz des Verfassungsgerichtshofs gab es bereits Ende August Gespräche zwischen beiden Seiten.

Bis Ende 2015 müssen Vorschriften des sächsischen Gesetzes über Freie Schulen umfassend neu geregelt werden, nachdem sie erst Ende 2010 deutlich verschärft wurden. Die Wartefrist bis zum Einsetzen der staatlichen Unterstützung bei Schulgründungen war beispielsweise von drei auf vier Jahre verlängert worden. Erreichte eine neu gegründete Schule die für staatliche Schulen geltenden Mindestschülerzahlen nicht, bekam sie weniger Geld vom Land. Regelungen zum Schulgeldersatz für Schulen, die ganz oder zumindest für einkommensschwache Familien auf Schulgeld verzichteten, wurden damals ganz gestrichen. Der Sachkostenzuschuss für Anschaffungen von Bänken, Büchern und Ähnliches war willkürlich auf 25 Prozent der Personalausgaben festgelegt und auf dem Stand von 2007 eingefroren worden.

Solche Abschreckungsmaßnahmen widersprachen der vom Geist des Aufbruchs 1989 getragenen Landesverfassung, die freie Ersatzschulen den öffentlichen weitgehend gleichstellt. Heute lernen knapp 14 Prozent aller Schüler an einer Freien Schule. Bei den berufsbildenden Schulen stieg der Anteil sogar auf über 30 Prozent.

Die Haltung der seit der Wende ununterbrochen regierenden CDU zu den „Privatschulen“ war stets eine ambivalente. Konfessionelle Gründungen und solche in Unionshochburgen wie dem Erzgebirge wurden gefördert. Andererseits waren die als pädagogische Leuchttürme geltenden Freien Schulen der Regierung stets ein Dorn im Auge.

In den letzten zehn Jahren spitzte sich der Konflikt zu, als öffentliche Schulen infolge des Geburtenrückganges massenhaft geschlossen wurden. An mindestens 50 Standorten entstanden stattdessen Freie Schulen. Die Kultusminister Steffen Flath und Roland Wöller (beide CDU) fuhren deshalb eine restriktive Politik gegenüber den Privaten. Freien Schulen eher skeptisch gegenüberstehende Parteien wie die Linke oder die SPD avancierten plötzlich zu deren Anwälten.

Das Eintreten für die Freien hält die SPD-Abgeordnete und frühere GEW-Bundesvorsitzende Eva-Maria Stange für selbstverständliche Oppositionspflicht angesichts der schwer wiegenden Verfassungsverletzung. Die SPD halte aber an der Absicht fest, Vorzüge und Freiheiten der Freien auf die staatlichen Schulen zu übertragen.

Die Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen macht erst mal wenig Druck. Man will nun zunächst die Sachkostenzuschüsse neu verhandeln. Eine neue Refinanzierungsformel müsse auch nicht unbedingt bis zur Aufstellung des Doppelhaushalts im nächsten Sommer gefunden sein, erklärt ihr Sprecher Konrad Schneider. Auf jeden Fall könnten nun einige der ans Existenzminimum geratenen Schulinitiativen in Sachsen aufatmen.

MICHAEL BARTSCH