Nachhilfe in Sachen China

THINKTANK Das private Mercator Institute for China Studies will den Deutschen zu einer besseren Urteilsfähigkeit verhelfen

„China bekommt nicht die Aufmerksamkeit, die es verdient“

SEBASTIAN HEILMANN, LEITER DES NEUEN THINKTANK

BERLIN taz | Wer in Deutschland würde die beiden mächtigsten Männer auf dem Erdball auf einem Foto erkennen? Die Rede ist nicht vom Amerikaner Barack Obama und dem Russen Wladimir Putin, sondern von den Chinesen Xi Jinping und Li Keqiang.

Dass hierzulande kaum jemand etwas über den Partei-, Staats- und Militärchef Xi und seinen Premier Li weiß, sei symptomatisch für das große Unwissen der Deutschen über den enormen Einfluss, den China inzwischen auf die Welt hat, beklagt der Politik- und Chinawissenschaftler Sebastian Heilmann. „China bekommt nicht die Aufmerksamkeit, die es verdient“, erklärte der Professor, der seit Jahren an der Universität Trier über China forscht.

Nun soll ein neuer China-Thinktank Abhilfe schaffen: Das von Heilmann geleitete Mercator Institute for China Studies (MERICS) mit Sitz in Berlin hat es sich zur Aufgabe gemacht, Politiker, Journalisten und Ökonomen über aktuelle Entwicklungen in China aufzuklären und Grundlagen für eine „bessere Urteilsfähigkeit“ zu schaffen.

Angesichts der Tatsache, dass beispielsweise Chinas Anteil am Welthandel mit 10,5 Prozent inzwischen ebenso groß wie der der USA ist, die Volksrepublik mittlerweile größter Erdöl-Nettoimporteur ist und ohne Peking im globalen Umwelt- und Klimaschutz keine Lösungen gefunden werden könnten, sei es unverzichtbar, mit China zu kooperieren, so Heilmann.

Das MERICS ist das jüngste Projekt der einst von Erben der Metro-Handelskette gegründeten Mercator-Stiftung mit Sitz in Essen, die zu den größten privaten Stiftungen in Deutschland zählt. Mit einem Budget von 18,4 Millionen Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren soll sich das Institut zum größten China-Thinktank Europas entwickeln, erklärte Bernhard Lorentz, Vorsitzender der Geschäftsführung von Mercator.

Das Institut werde stachelig und völlig unabhängig sein, versicherten Lorentz und Heilmann. Mit den chinesischen Behörden gebe es keine besonderen Vereinbarungen: „Wir haben nicht mit ihnen gesprochen“, erklärte Heilmann auf Nachfrage. Eine interessante Bemerkung vor dem Hintergrund, dass deutsche und andere ausländische Wissenschaftler und Publizisten nicht selten vor – in den Augen der Pekinger Regierung – politisch heiklen Themen zurückschrecken, weil sie fürchten müssen, sonst kein Einreisevisum für China zu erhalten.

JUTTA LIETSCH

www.merics.org