So klappt’s auch …

... mit der CO2-Bilanz

Klimaschutz muss doch unbequem sein, dachte ich immer

VON JANA TASHINA WÖRRLE
(TEXT) UND ELÉONORE ROEDEL (ILLU)

Im Internet gibt es alles. Wirklich alles. Zuletzt habe ich gelesen, dass man sein grünes Gewissen jetzt auch online auf die Probe stellen kann. Das musste ich ausprobieren. Bisher dachte ich, meine CO2-Bilanz – und darauf kommt es am Ende an – sei in Ordnung. Jetzt spuckt der CO2-Rechner auf der Internetseite des Umweltbundesamtes einen hässlichen roten Balken aus. Mein Auto.

Es ist ein stinknormaler Kleinwagen – nicht alt, aber ein Benziner – und er ist ein Klimaferkel. Ich nutze es nur selten, im Alltag fahre ich Rad. Aber bei langen Strecken, im Urlaub etwa, wenn ich in die Berge fahren möchte, steige ich aufs Auto um. Natürlich nehmen Hartgesottene auch hier das Rad. Ich nicht. Und deshalb ist meine CO2-Bilanz schlechter, als ich dachte.

Dabei stehe ich im Vergleich gar nicht schlecht da: Im Schnitt verursacht jeder Deutsche im Jahr elf Tonnen CO2. Mein Wert liegt derzeit bei knapp zehn Tonnen – insgesamt also ganz gut. Nur dachte ich, dass ich noch viel umweltbewusster sei. Ein paar Klicks weiter der nächste Dämpfer für mein grünes Gewissen: Vorwiegend regional einzukaufen, wenig Strom im Haushalt zu verbrauchen und Langstreckenflüge zu meiden bringt weniger als gedacht. Immerhin fahre ich die weiten Strecken selten allein – Mitfahrgelegenheit und Co. sei Dank.

Für Michael Bilharz vom Umweltbundesamt ist mein Auto aber nicht das Entscheidende. Das CO2-Sparen bringe nur dann etwas, wenn ich daraus eine politische Botschaft machen würde. Wenn ich andere überzeuge, mitzumachen. „Der Druck auf die Politik muss steigen“, sagt Bilharz, „es werden nur Alibigesetze verabschiedet.“ Die Leute sollten lieber auf die Straße gehen, statt nur in Bioläden einzukaufen. Und ich dachte immer, jeder sollte bei sich selbst anfangen, im Kleinen das Große unterstützen. Muss ich eine politische Aktivistin werden, wenn ich doch nur die Umwelt schonen möchte?

Bilharz spricht von einem Dreiklang aus politischem Engagement, entsprechender Gestaltung des Alltags und Kompensation des CO2-Ausstoßes durch Geld, dass ich etwa Umweltprojekten zur Verfügung stelle. Für mich bedeutet das: Ich sollte weiter auf mein grünes Gewissen hören, muss aber nicht meinen kompletten Lebenswandel – inklusive Auto-Urlaubstouren – umstellen, wenn ich dafür als Ausgleich Geld für ein Klimaschutzprojekt überweise.

Heute ist das auf verschiedenen Plattformen möglich, nicht nur für Langstreckenflüge, auch für hohen Stromverbrauch oder Autofahren. Ich hatte bislang immer das Gefühl, dass genau das zu einfach sei, eine Art Ablasshandel, ein paar Euro für das grüne Gewissen und alle klimatischen Sauereien sind vergessen. Klimaschutz muss doch unbequem sein, dachte ich immer. Dabei schafft Kompensation nach Ansicht des Umweltexperten einen größeren Ausgleich als der Verzicht. Wenn viele zahlen, könnten viele Klimaschutzaktionen unterstützt werden. Das wiederum sorge für eine größere Öffentlichkeit.

Ähnlich verhält es sich bei der Mitfahrgelegenheit. Leute im Auto mitzunehmen sei gut, sagt Bilharz. Noch besser allerdings seien Carsharing-Fahrzeuge. Wenn die erst das Bild der Öffentlichkeit bestimmten, würde der Bewusstseinswandel vielleicht eines Tages auch die Politik erreichen.

Okay, Autos sind nicht gut für die Umwelt. Keine große Überraschung. Aber Fleisch? Ich esse es nur selten, die Ausschläge im Diagramm des CO2-Rechners sind gering. Wenn ich allerdings angebe, jeden Tag zu Bratwurst und Schnitzel zu greifen, springt die Anzeige nach oben.

Ist Fleischessen wirklich so ein Klimakiller? „Ja, einer der größten“, sagt Sebastian Zösch, Geschäftsführer des Vegetarierbund Deutschland (Vebu). Der Konsum tierischer Produkte – also auch Milch, Eier und Käse – habe einen Anteil von mehr als 50 Prozent am Klimawandel. „Eingefleischte“ Gewohnheit nennt Zösch das.

Und die Politik scheue sich vor geeigneten Vorgaben, wenn man vom viel diskutierten Veggie-Day in öffentlichen Kantinen einmal absehen würde. „Fleischessen ist keine politische Entscheidung, sondern eine ganz private“, sagt Zösch, „hier will sich kaum jemand etwas vorschreiben lassen.“ Er rät zum Clausthaler-Prinzip: „Man muss nicht immer, aber immer öfter auf Tierisches verzichten – besonders auf Rindfleisch.“ Für das Klima sei es das schlimmste Produkt, weil Rinder große Mengen Gras fressen und verdauen. Zudem koste auch die Verarbeitung sehr viel Energie.

Zösch selbst lebt schon seit acht Jahren vegan. Aber ist das überhaupt gesund? „Meine Blutwerte sind sehr gut“, sagt er. Damit wäre auch dieses Vorurteil ausgeräumt. Ich schließe die Seite mit dem CO2-Rechner und suche nach Möglichkeiten, wie ich mich politisch besser einbringen kann. Der Volksentscheid des Berliner Energietischs ist zwar gescheitert, aber Michael Bilharz hat mich überzeugt, dass man sich auch öffentlich engagieren muss. Am 30. November ist zum Beispiel eine bundesweite Demo für die Energiewende. Auf geht’s.