Party, paramilitärisch gesichert

Zum 52. Mal lud der Deutsch-Amerikanische Frauen-Club Hamburg zum Freundschaftstag ins Generalkonsulat. Während der Redebeiträge drängelte man sich nebenan am Büfett, und eigentlich ging es doch vor allem ums Sehen und Gesehen werden

So unterhaltsam wie ein Betriebsfest in der Firmencafeteria – nur in edlerem Ambiente

Welch ein Fest! Die Hamburger Hautevolee, besser: der bürgerlichere Teil davon, flaniert vorbei an Stars and Stripes and somehow important persons. Es gibt gediegene Häppchen und belobigende Dankesreden, beschwingte Evergreens vom dreiköpfigen Stimmungsorchester der hanseatischen Polizei und beiläufige Händedrücke von fast allen, denen man nicht rechtzeitig ausweicht. Vor allem aber gibt es eine Location, von der man sich noch bis zur Schwelle nie erträumt hätte, sie je betreten zu können, ohne verhaftet oder erschossen zu werden: das Generalkonsulat der Vereinigten Staaten von Amerika, etwas kürzer: das Weiße Haus am Hamburger Alsterufer.

Doch wie es aussieht, haben alle rund 250 geladenen Gäste aus Lokalpolitik und Vereinsumfeld unverletzt überlebt. So feiert eine Charity-Organisation mit dem eindrucksvollen Titel Deutsch-Amerikanischer Frauen- Club Hamburg e. V. (DAFC) wie jedes Jahr im Mai ihren Deutsch-Amerikanischen Freundschaftstag. Zum 52. Mal bereits, stets in der längst paramilitärisch geschützten Landesvertretung, und alles ist genauso, wie es von Veranstaltungen zu erwarten ist, die ihre Existenzberechtigung vornehmlich aus der Existenz des Organisationsnamens schöpfen: bemüht pompös, dabei sehr bieder und so unterhaltsam wie ein Betriebsfest in der Firmen-Cafeteria. Nur in edlerem Ambiente.

So sind eben die Gepflogenheiten der Selbstlosigkeitsbranche: Wer sich gemeinnütziger Arbeit verschreibt wie der angesehene DAFC, muss solche Tage regelmäßig anbieten. Das fördert den Zusammenhalt, das würdigt die Arbeit der Ehrenamtlichen, das gehört einfach dazu. Übers ganze Jahr kümmern sich die Mitglieder der 1951 für notleidende Familien gegründeten Clubs um soziale Kinder- und Jugendeinrichtungen, um Studierendenaustausch und selbstredend um Spendenakquise. Absolut honorige Aufgaben, die wirklich herzlichere Danksagungen verdient hätten als vom Blatt gelesene Standardfloskeln. Aber, wie gesagt: Gepflogenheiten.

„Sie festigen die deutsch-amerikanische Freundschaft durch stetiges Eintreten für unsere gemeinsamen Interessen.“ Sätze wie dieser, in Stein gemeißelt, multifunktional und hochgradig versachlicht, gehören dazu. Und wenn sie dann noch von einem Generalkonsul ausgesprochen werden, gewinnt jedes Wort nochmal an Gewicht. Duane C. Butcher wirkt nicht gerade wie der Prototyp des zweitwichtigsten US-Diplomaten auf deutschem Boden. Aber er gibt sich unverkennbar Mühe, dem feierlichen Rahmen gerecht zu werden.

Sichtlich erleichtert übergibt der Mann im eher schlecht sitzenden Anzug das Wort dann an die Club-Vorsitzende, die reicht es weiter an Hamburgs Bürgerschaftsvizepräsidentin, bis schließlich eine Frau Runge vom „Spielhaus Horner Landstraße“ am Pult steht. „Auch Geduld will gelernt sein“, spricht sie in den pompösen Säulensaal. Dass sie damit Kinder ihrer Einrichtung beim Warten auf Töpferware im Brennofen meint, bedarf schon eines wachen Momentes.

Bei jeder Rede lichten sich die Reihen der Zuhörer ein bisschen mehr. Als Frau Runge nach zehn Minuten auch noch erklärt, wie wichtig es für die Besucher ihrer Institution ist, scharfe Messer zu benutzen – aber nur unter Aufsicht –, gewinnt das Büfett im Nebenraum sekündlich an Zuspruch.

Keine Frage: Sehen und Gesehen werden hat auch hier einen höheren Stellenwert als Hören und Gehört werden. Von wem auch immer. Die Hamburger Europapolitikerin Christa Randzio-Plath leuchtet sich wie immer grellrot frisiert zwischen den Baldachinen hindurch und ist, mit Verlaub, neben Generalkonsul und Bürgerschaftsvizepräsidentin die vermutlich prominenteste Anwesende im Hochsicherheitstrakt. Obwohl: Die Starfriseurin Marlies Möller soll auch da sein.

Letztlich geht es vielen Gästen aber wohl ohnehin darum, vom Besuch einer Party an einem echt exklusiven Ort für eine Handvoll Privilegierte berichten zu können. Auf der Terrasse plaudert man zwischen voluminösen Stacheldrahtrollen im Abendrot über der Alster, die weiblichen Frisuren sind auf Siebzigerjahreniveau hoch toupiert, ein Junge in Segelschuhen und artigem Hemd ist die einzige männliche Bedienung unterm gewaltigen Kronleuchter, und auf dem Klo kann man rote Plastikbälle in kleine Plastiktore pinkeln. Irgendwie sonderbar am bestbewachten Ort der Stadt, den man überraschenderweise ohne Leibesvisitation betreten kann. Zumindest für zwei Stunden, am Deutsch-Amerikanischen Freundschaftstag. Jan Freitag