Großeinsatz gegen Migranten in Moskau

RUSSLAND Polizei nimmt mindestens 1.200 Personen aus dem Kaukasus und Zentralasien in einem Großmarkt fest. Dies ist eine Reaktion auf die schwersten ausländerfeindlichen Krawalle seit drei Jahren

MOSKAU taz | Die russische Polizei hat am Montag bei einer Razzia im Moskauer Stadtteil Birjuljowo mindestens 1.200 Migranten vorübergehend festgenommen. Die Aktion richtete sich vor allem gegen Arbeiter aus dem Kaukasus sowie aus zentralasiatischen Staaten, die in einem Gemüsegroßmarkt beschäftigt waren.

Laut Polizeiangaben, die das russische Nachrichtenportal kommsersant.ru zitiert, sollten die Festgenommenen auf eine mögliche Beteiligung an Verbrechen überprüft werden. Auf dem Gelände des Großmarktes sei zudem ein Fahrzeug mit Geld und Waffen sichergestellt worden. Der Chef des Verwaltungsbezirks Birjuljowo-West, Wiktor Legawin, kündigte an, dass die Ermittlungen weitere fünf Tage andauern würden.

Der jüngsten Jagd auf Migranten vorausgegangen waren die schwersten ausländerfeindlichen Krawalle seit drei Jahren. Am Sonntagabend hatten in Birjuljowo Tausende Anwohner, Rechtsradikale und Fußball-Hooligans unter Rufen wie „Russland den Russen!“ den Großmarkt gestürmt, Scheiben eingeschlagen, ein Einkaufszentrum geplündert und sich Straßenschlachten mit der Polizei geliefert. Dabei wurden 23 Personen verletzt. Von rund 400 Festgenommenen – darunter einige Journalisten – ist mittlerweile ein Großteil wieder auf freiem Fuß. Gegen 70 Beteiligte wurden Ordnungsverfahren eingeleitet.

Auslöser der Krawalle war der Mord an einem 25-jährigen Moskauer am Donnerstag vergangener Woche. Dieser war erstochen worden, als er versucht haben soll, seine Freundin vor Belästigungen zu schützen. Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigten, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen Mann gehandelt haben soll, der „allem Anschein nach aus Zentralasien oder dem Kaukasus stamme“, wie es offiziell hieß.

Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Russen und Angehörigen anderer ethnischer Gruppen sind in Russland keine Seltenheit. Schon Juri Luschkow, 1992 bis 2010 Oberbürgermeister von Moskau, propagierte die Jagd auf „Schwarzärsche“, wie Kaukasier mitunter immer noch verächtlich genannt werden. Im Dezember 2010 randalierten Tausende Jugendliche in der Nähe des Kreml nach dem Mord an einem russischen Fußballfan, für den sie einen Mann aus dem Nordkaukasus verantwortlich machten.

Erst im vergangenen Juli und damit nur wenige Wochen vor den Bürgermeisterwahlen in Moskau waren bei Razzien mehr als 3.000 illegale Arbeiter – vor allem Vietnamesen – festgenommen worden. Die Abschiebungen laufen noch. BARBARA OERTEL