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: Der Gates-Gegner im Vorruhestand

Wenn Bill Gates sein Harvard-Studium nicht abgebrochen hätte, wüsste er heute vielleicht, was ein Monopol ist.“ Scott McNealy ist einer der scharfzüngigsten Gegner des weltgrößten Softwarekonzerns und selbst eine Legende des Silicon Valley. 1982 gründete er in der Wiege der globalen Computerrevolution mit drei Mitstudenten des Stanford University Networks S.U.N. Microsystems. 22 Jahre stand McNealy an der Spitze des Unternehmens, das vor allem mit Servern und Software für Unis und Firmen allein im vorigen Jahr elf Milliarden Dollar verdiente. Nun schließt sich ein Kapitel Computergeschichte: Gestern zog sich der 51-jährige Visionär der vernetzten Computer aus dem Tagesgeschäft zurück. Neuer Geschäftsführer wird sein bisheriger Vize Jonathan Schwartz.

Im Lauf seiner Karriere hat sich McNealy mit schnoddrigen und unverblümten Kommentaren einen Ruf als unkonventioneller Konzernchef erworben. Als ihn Microsofts Geschäftsführer Steve Ballmer einen Spinner nannte, fühlte sich McNealy geschmeichelt. Seine Feindschaft zu Bill Gates ist legendär. McNealy hält ihn für den „gefährlichsten und mächtigsten Konzernchef unserer Zeit“. Als Anführer der Anti-Microsoft-Front trat McNealy vor sechs Jahren im US-Kartellverfahren als Kronzeuge gegen Microsoft auf, das fast in der Zerschlagung des Konzerns endete. Auch das laufende Kartellverfahren der EU-Kommission gegen Microsoft geht auf einen Vorstoß McNealys zurück.

Im Konflikt zwischen Gates und McNealy krachen zwei Visionen über die Rolle von Computern aufeinander. Während Gates im PC vor allem ein Geschäftsmodell sieht, das ihn durch individuelle Softwarelizenzen zum reichsten Mann der Welt machte, gab McNealy schon mit der Gründung von S.U.N. das Motto aus: „Das Netz ist der Computer.“ Anders als Gates erkannte McNealy von Anfang an die Bedeutung des Internets. Er setzte früh auf frei zugängliche Programmcodes, offene Standards und die weltweite Zusammenarbeit mit Open-Source-Programmierern. Ein typischer Computerfrickler war der studierte Betriebswirt McNealy zwar nie. Sein Gespür für technische Innovationen führte aber zu der Internet-Programmiersprache Java und der kostenlosen Bürosoftware OpenOffice.

Der Vater von vier Jungen und begeisterte Eishockeyspieler behält seinen Job als Aufsichtsratsvorsitzender von S.U.N. Seinen visionären Riecher wird das Unternehmen auch in Zukunft brauchen. Denn im Vergleich zu IBM oder Dell verkaufen sich die edlen S.U.N.-Computer derzeit nur schleppend. Ein Viertel der weltweit 31.000 Jobs bei S.U.N. steht auf dem Spiel.

TARIK AHMIA