Parteitag im Korruptionsschatten

Vietnams Kommunisten setzen auf eher farblose Kompromisskandidaten beim Führungstrio. Dafür sitzt im neuen Politbüro nicht mal mehr eine Quotenfrau

BERLIN taz ■ Vietnams Kommunisten haben auf ihrem gestern beendeten 10. Parteitag endgültig einen Generationswechsel vollzogen. Die Vertreter einer Generation, die führend am militärischen Kampf bis 1975 teilnahm, zogen sich aufs Altenteil zurück. In Hanoi setzten sich bei der Wahl der Führungstroika konsensfähige Kandidaten durch. Sie werden keinem der rivalisierenden Flügel zugerechnet, sind dafür aber eher blass.

Der bisherige Parteichef, der 65-jährige Nong Duc Manh, wurde für eine zweite Amtszeit gewählt. Neu wurden als Staatspräsident Nguyen Minh Triet, 63, bisher Bürgermeister und Parteichef von Ho-Chi-Minh-Stadt, sowie als Premier Nguyen Tan Dung, 56, bisher stellvertretender Regierungschef, der Nationalversammlung vorgeschlagen. Deren Zustimmung gilt wegen des Einparteiensystems als Formalie, auch wenn sie Monate dauern kann.

Wirtschaftlich haben sich die Kommunisten anspruchsvolle, aber durchaus realistische Ziele gestellt. Das Bruttoinlandsprodukt soll wie bisher um 7,5 bis 8 Prozent pro Jahr wachsen. Acht Millionen neue Jobs sollen bis 2010 in Industrie, Landwirtschaft und Dienstleistungssektor geschaffen werden. Damit soll die Arbeitslosenrate auf unter 5 Prozent fallen. Bis 2010 soll der Status der Unterentwicklung überwunden sein.

Der Parteitag wurde von einem großen Korruptionsskandal überschattet. Hanois Staatsanwaltschaft hatte ein Bestechungssystem in Millionenhöhe aufgedeckt. Direktoren einer Staatsfirma hatten Geld für die Verkehrsinfrastruktur veruntreut und bei illegalen Sportwetten verloren. Dabei konnten sie auf Unterstützer im Verkehrs- und Innenministerium rechnen. Der stellvertretende Verkehrsminister und die Direktoren der Firma wurden medienwirksam verhaftet. Es drohen Todesurteile. Mehrere andere Beschuldigte traten von allen Ämtern einschließlich des Parteitagsmandats zurück. Der Kampf gegen die Korruption – auch in den eigenen Reihen – war somit ein zentrales Thema.

Der Parteitag fand erstmals seit 1975 hinter verschlossenen Türen statt und ließ die Medien nur zu ausgewählten Terminen in die Hanoier Ba-Dinh-Halle. Dennoch wurden die Flügelkämpfe über die politische Entwicklung des Landes zwischen Reformern und Traditionalisten nicht offen ausgetragen. Sozialpolitik verstehen Vietnams Kommunisten als Schaffung weiterer Industriearbeitsplätze. Sie blendeten die sozialen Probleme der Millionen Billiglohnarbeiter aus. Eine im Vorfeld angesichts fehlender Umweltstandards und großer Verschmutzung durch die boomende Industrie angemahnte Umweltpolitik kam, soweit der Presse mitgeteilt, nicht vor. Die Vorsitzende der Frauenunion mahnte zwar Defizite in der Geschlechtergerechtigkeit an. Doch dem neuen 14-köpfigen Politbüro gehört keine einzige Frau mehr an. Bisher hatte es wenigstens eine Quotenfrau gegeben.

Den prominentesten Vertreter des Reformflügels, Altpremier Vo Van Kiet, hatte man vorsichtshalber gar nicht erst eingeladen. Dem Endsiebziger, der öffentlich mehr innerparteiliche Demokratie, eine Kontrolle des Geheimdienstes und eine nationale Umweltpolitik angemahnt hatte, hätte ein Platz auf der Ehrentribüne zugestanden. Dort saßen die beiden Strippenzieher der Dogmatiker, die Altpolitiker Le Duc Anh und Do Muoi.

Erstmals seit 1975 fand ein Parteitag ohne internationale Gäste statt. Bis 2001 hatten kommunistische und sozialistische Parteien aus aller Welt Beobachter entsandt. Aus Deutschland war immer die PDS eingeladen worden. Sie musste jetzt zu Hause bleiben, schickte aber wie die SPD eine Grußadresse.

MARINA MAI