Gefühlt und deutlich sichtbar

Welche Farben passen zu welchen Menschen? Johanna Kanka-Maue ist Schneiderin, außerdem bietet sie professionelle Farb- und Stilberatung in Hamburg an. Der taz hat sie gesagt, worauf es bei der Beratung ankommt – und was schief laufen kann

taz: Frau Kanka-Maue, worum geht es bei der Farbberatung?

Johanna Kanka-Maue: Bei der Farbberatung gibt es drei Bereiche: Erstens das rein Optische für den Betrachter von außen, das ist ein bisschen neutraler. Zweitens geht es um die Frage, ob Sie die Farben, die Ihnen gut stehen, auch mögen. Man muss sich dann überlegen, ob man die Farbe überhaupt mit reinnimmt und wenn ja, wie und in welcher Menge. Der dritte Aspekt ist die Farbempfindung: Man schließt die Augen und nimmt die Farbe am Körper selbst wahr. Bei über 90 Prozent der Kundinnen passiert da was – für sie fühlen sich die Farben unterschiedlich an. Das hat was mit den Farbfrequenzen zu tun.

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob jemandem eine Farbe steht oder nicht?

Ich betrachte erst mal die Gesamtausstrahlung. Bei vielen Farben, die Ihnen gut stehen, sind Ihre Augen klar: Ich kann Ihnen dann gut in die Augen schauen. Die Haut sieht gut aus, man sieht Rötungen nicht so sehr. Die Haare glänzen. Die Lippenfarbe ist dann so, dass man fast keinen Lippenstift mehr braucht. Die ganze Ausstrahlung ist so, dass man Sie sieht. Wir sind ja alle asymmetrisch im Gesicht und die Farben, die Ihnen gut stehen, gleichen Asymmetrien aus.

Wenn ein Mensch von zwei Farbberatern beraten wird: Wie groß ist die Chance, dass beide Farbberater zu demselben Ergebnis kommen?

Da kann ich keine Prozentzahl sagen. Es gibt den Fall, dass jemand nach einer Farbberatung zu mir kommt und meiner Meinung nach falsch beraten wurden – meistens, weil man zu eng nur nach Haar- und Augenfarbe gekuckt hat. Eine sehr wichtige Rolle spielt aber auch die Pigmentierung der Haut.

Oder es wurde falsch beraten, weil die Empfindungsfragen nicht integriert wurden. Wenn jemand die Farben nicht mag, die ihm eigentlich stehen, dann sträubt sich so viel innerlich, dass die Farben nicht wirken.

Aber ich habe genauso schon Kunden gehabt, die von einer Kollegin kamen und da hätte ich genau dasselbe gesagt. Das hat auch etwas mit der Qualität der Ausbildung zu tun.

Wichtig für die Farbberatung ist die Farbtypenlehre nach dem Schweizer Kunstpädagogen Johannes Itten. Auf welchen Erkenntnissen basiert diese Lehre?

Der Lehre liegt die Erkenntnis zugrunde, dass es klare Farben gibt und gedeckte Farben. Und es gibt warme Farben und kühle Farben. Das wiederum korrespondiert mit der Pigmentierung in unserer Haut: Je mehr Carotin in der Haut ist, desto gelblicher wird sie. Damit korrespondieren dann die Farben, die einen gelblichen Unterton haben wie Orange oder Rot.

Neben der Farbberatung machen Sie auch Stilberatungen. Worauf achten Sie dabei zuerst?

Bei der Stilberatung geht es um die Formen und Proportionen. Zum Beispiel beim Rock für Frauen: Da wäre die Frage, welche Länge der Rock haben sollte, ob er gerade geschnitten oder ausgestellt ist. Es gibt bestimmte Längen, die gut zu ihren Körperproportionen passen und damit ein harmonisches Bild ergeben. Oder Ausschnitte: Auch die orientieren sich an Ihrer Gesichtsproportion.

Außerdem geht es bei der Stilberatung um etwas sehr Individuelles: Welche Elemente sind Ihre? Ist es etwas Verspieltes oder etwas möglichst Klares? Ist es etwas Robustes oder sind es Details am Handgelenk? Da geht es dann sehr um das Wesen des Menschen und braucht viel Einfühlungsvermögen.

Ein weiterer Punkt ist dann die Funktionalität: Ich habe auch oft selbstständige Personen, bei denen muss die Kleidung schlicht zum Job passen.

Interview: kli