Wolke drückt auf die Wirtschaft

VULKAN Deutschen Firmen entgeht nach eigener Schätzung täglich 1 Milliarde Euro Umsatz. Task Force soll die Schäden begrenzen. Minister stellt Staatshilfen in Aussicht

■ Rückholaktionen für deutsche Urlauber: Die Lufthansa bringt nach eigenen Angaben 15.000 Passagiere und 50 Interkontinentalmaschinen nach Deutschland zurück. Dafür gebe es Sondergenehmigungen des Luftfahrt-Bundesamtes. Innerhalb Deutschlands müssen die Flugzeuge im Sichtflugverfahren unterhalb von 3.000 Metern Höhe fliegen. Auch andere Fluggesellschaften und Reiseveranstalter begannen, ihre Kunden aus dem Ausland zurückzuholen – teils mit Flugzeugen, teils mit Bussen. Da der Luftraum über Österreich am Montag geöffnet war, sollten mehrere Maschinen in Salzburg landen. Insgesamt sollen etwa 100.000 deutsche Pauschaltouristen im Ausland von den Flugverboten betroffen sein. Diese Zahl sei dem Außenministerium am Wochenende genannt worden, sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Montag. Die Zahlenangaben seien allerdings mit Vorsicht zu genießen.

VON RICHARD ROTHER

Die durch die Sperrung des Luftraums gebeutelten Fluggesellschaften können auf staatliche Hilfen hoffen. Sollte das Flugverbot drastisch verlängert werden und es zu gravierenden Auswirkungen kommen, müsse über Hilfen gesprochen werden, sagte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) am Montag. Auch die EU-Kommission, die solche Subventionen genehmigen muss, steht den Hilfen offen gegenüber. Ein Ende der vulkan- und wetterbedingten Ausnahmesituation im europäischen Luftraum war am Montagnachmittag nicht in Sicht.

Am vergangenen Mittwoch war der isländische Vulkan Eyjafjallajökull ausgebrochen und hatte große Mengen Asche und Staub kilometerweit in die Atmosphäre gepustet, der sich durch eine nordwestlichen Luftströmung über weite Teile Europas verteilte. Die Wolke stellt für Flugzeuge eine Gefahr dar, da sie die Triebwerke schädigen kann, was im schlimmsten Fall zum Absturz führt. Am Montag wurden an Nato-Kampfjets, die durch die Vulkanaschewolke geflogen waren, Triebwerkschäden festgestellt,

Ein Ende der angespannten Situation ist nicht in Sicht. Zwar verminderte sich die Aktivität des Vulkans etwas; er stößt weniger Asche weniger hoch aus, wodurch die Weiterverbreitung eingeschränkt ist. Allerdings kann sich die Vulkanaktivität jederzeit wieder verstärken – Prognosen darüber sind nicht möglich. Relativ sicher sind jedoch die Wetterprognosen, die für die nächsten Tage keine Entwarnung zulassen. „Unsere Computermodelle zeigen auch in den nächsten Tagen keine durchgreifenden Änderungen der Luftströmung“, so Dorothea Paetzold vom Deutschen Wetterdienst. Es bestehe sogar die Gefahr, dass das Hauptwindfeld vorübergehend direkt über Deutschland liegen werde. Allerdings sage die Luftströmung nichts über die Zusammensetzung und Konzentration der Aschewolke aus. Nähere Auskünfte darüber versprachen sich die Experten von einem Messflug eines Spezialflugzeugs des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums, das am Montag erstmals in die Luft gegangen ist. Das Problem ist allerdings: Es gibt bislang kaum wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, wie hoch die Aschekonzentration in der Luft sein muss, um Flugzeuge zu gefährden. Da solche Erkenntnisse nicht ad hoc zu gewinnen sind, wird es auch in den nächsten Tagen heißen: Sicherheit zuerst.

Die wirtschaftlichen Schäden durch die Flugausfälle sind immens

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat unterdessen die Einrichtung einer Task Force angeregt, um die großen wirtschaftlichen Schäden der Flugverbote zu minimieren. Daran beteiligen sich nach BDI-Angaben die Bundesministerien für Verkehr und Wirtschaft sowie Vertreter der Flughäfen, der Tourismusbranche und der Fluggesellschaften. Die Fluggesellschaften hatten zuvor das Krisenmanagement der Bundesregierung kritisiert. Der BDI forderte, das Nachtflugverbot vorübergehend einzuschränken oder aufzuheben, wenn sich die Aschewolke verzogen hat. „Zwei Drittel des Luftfrachtverkehrs werden nachts abgewickelt“, sagte BDI-Chef Hans-Peter Keitel. Über den Luftverkehr gingen 40 Prozent des Wertes der deutschen Exporte in die ganze Welt.

Der wirtschaftliche Schaden durch Aschewolke ist riesig. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag rechnet zunächst mit einem Umsatzausfall von täglich 1 Milliarde Euro. Alleine der Luftfahrt dürften bislang Kosten von bis zu 800 Millionen Euro entstanden sein, schätzt das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

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