Von der Tradition zum Design

DIE PRODUZENTIN Zur Fairen Woche besucht Ruth de la Cruz Deutschland und berichtet von den Kunsthandwerkern in Peru. Im Verbund behaupten sie sich auf dem Weltmarkt

INTERVIEW: OLE SCHULZ

Ruth de la Cruz (29) arbeitet bei Central Interregional de Artesanos del Perú (CIAP), einem Netzwerk von Kunsthandwerkern, die nach Fair-Trade-Richtlinien produzieren. Sie ist in der Produktentwicklung an der Schnittstelle zwischen Produzenten und Kunden tätig. Im September besucht de la Cruz auf Einladung des deutschen CIAP-Abnehmers El Puente Deutschland, um an Schulen und in Eine-Welt-Läden vom fairen Handel zu berichten.

taz: Frau de la Cruz, wer sind die CIAP-Akteure?

Ruth de la Cruz: Wir vertreten mehrere Kunsthandwerkervereinigungen aus verschiedenen Landesteilen Perus. Aus Ayacucho im Süden zum Beispiel, wo traditionell Figuren in Holzschachteln hergestellt werden und auch mit Alabastersteinen gearbeitet wird. Weiter südlich, in Puno am Ufer des Tititacasees, stricken Frauen Fingerpuppen sowie Pullover, Schals, und Handschuhe aus Alpaka.

Stammen Sie aus einer Handwerksfamilie?

Ja. Mein Vater stellt Alltagsgegenstände aus Keramik her, Tassen und Krüge zum Beispiel. Ich habe meinem Vater früher bei gewissen Vorarbeiten geholfen. Selbst in der Werkstatt bin ich nicht mehr, seit ich begonnen habe, Wirtschaft zu studieren. Im Jahr 2007 habe ich bei CIAP, wo auch mein Vater Mitglied ist, ein Praktikum gemacht und wurde danach übernommen.

Heute sind Sie bei CIAP für die Entwicklung neuer Produkte zuständig.

Ursprünglich haben wir nur traditionelles Kunsthandwerk vertrieben. Doch seit einigen Jahren schicken uns Kunden vermehrt Entwürfe, wie sie sich ein bestimmtes Design vorstellen – zum Beispiel, welche Motive sie für Wandteppiche aus Schafswolle wollen. Darauf haben wir reagiert. Wir bieten unseren Kunsthandwerkern eine Designfortbildung an und versuchen, die Kundenwünsche umzusetzen.

In Deutschland sind fair gehandelte Bananen, Kaffee oder Schokolade bekannter als kunsthandwerkliche Waren. Ist das ein Problem für CIAP?

Anfänglich war es das vielleicht schon, aber inzwischen existiert die Organisation seit 20 Jahren, und wir haben im Fair-Trade-Markt eine gewisse Bekanntheit mit unseren kunsthandwerklichen Produkten erreicht. Dazu zählt nicht nur Bekleidung aus Peru, sondern auch Schmuck, Musikinstrumente oder Keramik. Im Ausland haben wir feste Abnehmer – auch in Deutschland, wo es ja ein großes Netz von Eine-Welt-Läden gibt.

Wie ist CIAP entstanden?

Wir haben religiöse Wurzeln. Ein belgischer Benediktinerpater, gründete CIAP 1992. Er wollte den Kunsthandwerkern in Puno helfen und begann damit, ihre Produkte nach Europa zu verkaufen – zunächst an Einzelpersonen aus dem religiösen Umfeld. Dann wurden die Exportmargen langsam größer, und auch die Zahl der beteiligten Kunsthandwerker aus Peru wuchs. Zu CIAP gehören heute 18 Kunsthandwerkervereinigungen, die zwischen acht und 60 Mitglieder haben, insgesamt sind es über 700 Personen. Die Mehrheit sind Frauen. In Puno, wo die mitgliederstärksten Vereinigungen ansässig sind, gibt es allein über 130 organisierte Weberinnen und Strickerinnen. Auch im Norden gibt es eine weitere große Gruppe von Frauen, die sich der Keramik widmen.

Unter welchen Bedingungen arbeiten diese Frauen?

Das Besondere am fairen Handel ist die direkte Beziehung zwischen Produzentinnen und den Kunden, wodurch auch der Zwischenhandel ausgeschaltet wird. Unsere Abnehmer besuchen uns regelmäßig, um sich selbst ein Bild von den Produktions- und Lebensbedingungen vor Ort zu machen. Ein Vorteil für die Frauen unter den beteiligten Kunsthandwerkern ist zudem, dass sie während ihrer Arbeit in der Regel zu Hause bleiben und sich um ihre Kinder kümmern können. Durch die erzielten Einkünfte ist es ihnen möglich, ihre Kinder zur Schule zu schicken, weil sie Fahrtkosten und Verpflegungskosten zahlen können. Alle Kinder aus CIAP-Familien gehen zur Schule, manche machen danach eine Lehre oder erhalten eine technische Ausbildung. Zusätzlich gibt es als soziale Unterstützung einen Fonds für Kleinkredite und eine Krankenversicherung, die unseren Mitgliedern und ihren Familien zugute kommt.

Können Sie die Kunsthandwerkerinnen so gut bezahlen, dass sie damit das ganze Jahr gut über die Runden kommen?

Bei uns erhalten sie mit Sicherheit mehr als bei vielen anderen Arbeitgebern – es ist ein Lohnniveau, das sie selber mitbestimmt haben. Die Exporterlöse werden unter den Mitgliedern verteilt. Wir liefern nach Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Belgien. Dazu kommen die USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Das Volumen der Aufträge schwankt. Bei großer Nachfrage gibt es entsprechend viel Arbeit. Im umgekehrten Fall müssen sie sich aber anderweitig zusätzliche Beschäftigung suchen.

Gibt es auch in Peru einen Markt für fairen Handel?

Ja, aber er ist klein, auch weil hier die Prinzipien des fairen Handels noch nicht so bekannt sind. Außerdem ist die ökonomische Lage derzeit nur in Lima und den anderen großen Städten einigermaßen stabil, während es auf dem Land zum Teil noch große Armut gibt.

Welche Folgen haben die Freihandelsabkommen, die Peru in den vergangenen Jahren abgeschlossen hat, für Ihr Land?

Die Folgen sind widersprüchlich. Wir müssen nun bei der Ausfuhr gewisser Produkte keine Zölle mehr bezahlen, und das Exportprocedere ist zum Teil einfacher geworden. Dafür werden wir aber auch mit Billigware, zum Beispiel aus China, überschwemmt. Das ist für die heimische Textilindustrie ein Problem.

intercrafts.ciap.org