JOHANNES KOPP ÜBER DIE VERGABE DER OLYMPISCHEN SPIELE 2020 AN TOKIO
: Ein olympischer Super-GAU

Der strahlende Sieger heißt Tokio. So viel Bosheit muss erlaubt sein. Die jüngsten Nachrichten, die wegen der neuesten Rekordstrahlenwerte in Fukushima um die Welt gingen, haben der japanischen Bewerbung um die Olympischen Spiele 2020 nichts anhaben können.

Größeres Unbehagen bereiten den Sportfunktionären des Internationalen Olympischen Komitees offenbar die sozialen und politischen Erschütterungen in Spanien und in der Türkei. Aus Sicht des IOC droht dort wohl der wahre Super-GAU. Die jüngste Protestwelle in Brasilien, die sich gegen die wahnwitzig kostspielig gewordenen Großevents, die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016, wandte, hat möglicherweise dieses Gefühl bestärkt. Schließlich geht es auch darum, die spendablen Sponsoren bei der Stange zu halten.

Das IOC tut sich schwer auf der Suche nach dem richtigen Terrain. Die Vergabe der Spiele an nicht demokratische Staaten (Peking 2008, Sotschi 2014) hat das Prestige diese komplexen Gebildes schließlich auch nicht gemehrt. Zum einen werden die Gewinne maximiert – in den letzten Jahren konnten die Rücklagen von 100 auf 900 Millionen Dollar gesteigert werden –, zum anderen tritt das IOC mit einem Sendungsbewusstsein auf, das mit dem päpstlichen durchaus in Konkurrenz treten könnte.

So gesehen ist Tokio die logische Wahl. Die Protestkultur in diesem Lande ist gering ausgebildet, die Industrie zahlungskräftig, das Organisationsgeschick groß. Das 220 Kilometer entfernte havarierte Atomkraftwerk von Fukushima ist dabei ein vom IOC in Kauf genommenes Risiko. Dass dieses nicht gerade überschaubar ist, sagt viel über die Lage des IOC aus.

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