Botschafter boykottieren die City-Maut

Diplomaten aus 50 Ländern wollen die Londoner Staugebühr nicht zahlen. Bürgermeister Livingstone wird nun rabiat

DUBLIN taz ■ Ken Livingstone ist der Kragen geplatzt. Londons Bürgermeister warf dem US-Botschafter jetzt vor, sich wie ein „schmarotzender kleiner Gauner“ zu benehmen. Der Diplomat aus den Vereingten Staaten weigert sich, die Londoner City-Maut für die rund hundert Fahrzeuge der Botschaft zu zahlen. Dem Boykott haben sich Vertreter von 50 Staaten angeschlossen, darunter auch die Deutschen. Die ausgestellten Strafzettel summieren sich mittlerweile auf mehrere hunderttausend Pfund.

London hatte die Staugebühr im Februar 2003 eingeführt, um die britische Hauptstadt vor dem Verkehrsinfarkt zu bewahren. Wer wochentags mit dem Auto in die City wollte, musste zunächst 5 Pfund bezahlen. Im vergangenen Juli erhöhte Livingstone die Gebühr auf 8 Pfund. Seitdem weigern sich die US-Botschaftsangehörigen, deren Arbeitsplatz innerhalb der Mautzone liegt, die Gebühr zu entrichten.

Die Botschafter berufen sich auf die Wiener Konvention über den diplomatischen Verkehr, die 1963 in Kraft trat und Diplomaten von jeglicher Steuer im Ausland entbindet. Ein Sprecher der deutschen Botschaft sagte: „Uns ist aus Berlin mitgeteilt worden, dass man die Staugebühr als Steuer einschätzt und wir deshalb davon befreit sind.“

Aber es sei ja gar keine Steuer, sagt Livingstone, sondern eine Servicegebühr. „Wenn ich in den USA eine Mautstraße benutze, muss ich ja auch zahlen.“ Es sei unerhört, dass sich die USA vor der Zahlung drücken, seit der neue US-Botschafter Robert Tuttle im Juli sein Amt in London übernommen habe, schimpfte Livingstone. Er bezeichnete den Botschafter, der an einem der größten Autohäuser der USA beteiligt ist, als „Autohändler und Verbündeten von Präsident Bush“ und fügte hinzu: „Wenn britische Soldaten ihr Leben aufgrund der US-amerikanischen Außenpolitik riskieren, wäre es ziemlich nett, wenn die Diplomaten die Staugebühr entrichteten.“ Er werde alles in seiner Macht Stehende tun, um das Geld einzutreiben, sagte Livingstone – bis hin zur Beschlagnahmung und Verschrottung der US-Botschaftsautos.

Graham Tope vom Londoner Stadtrat unterstützt den Bürgermeister: „Wir sind hier nicht in Bagdad, sondern in London. Die USA sollten die Regeln des Landes beachten, in dem sie zu Gast sind.“ Ein OECD-Gutachten gibt Livingstone, der stets mit der U-Bahn zur Arbeit fährt, ebenfalls Recht: Es handle sich um keine Steuer, weil das Geld nicht in den Haushalt fließe, sondern zweckgebunden sei und nur für den Londoner Nahverkehr ausgegeben werden dürfe.

Die Staugebühr hat dafür gesorgt, dass der Verkehr in der Londoner City um 30 Prozent und die Fahrzeiten um 14 Prozent zurückgegangen sind. Im nächsten Jahr soll die Mautzone auf mehrere Stadtteile in West-London ausgedehnt werden. Neben den Diplomaten beklagen auch kleinere Ladenbesitzer die Gebühr, da die Umsätze stark abgenommen haben – vor allem bei Läden, die knapp innerhalb der Zone liegen. Im Jahr 2004 ist die Zahl der Läden in der City zum ersten Mal in der Geschichte Londons zurückgegangen.RALF SOTSCHECK