Erfolg für Waisen

Der portugiesische Staat muss früheren Heimkindern wegen sexuellen Missbrauchs Entschädigung zahlen

MADRID taz ■ Der portugiesische Staat muss über 2 Millionen Euro Entschädigung zahlen. Das entschied gestern ein Tribunal in Lissabon. Das Geld wurde 44 Antragstellern zugesprochen, die im staatlichen Waisenhaus Casa Pia sexuell missbraucht worden waren. 46 ehemalige Bewohner hatten geklagt. 39 von ihnen erhalten jetzt je 50.000 Euro Entschädigung, fünf weitere je 25.000 Euro. Zwei gehen leer aus.

„Ich bin sehr zufrieden“, erklärte die Anwältin der Kläger, Ana Vieira da Silva. Es sei ein wichtiges Exempel statuiert worden, in dem der Staat für das zur Verantwortung gezogen wurde, was in einer seiner Einrichtungen geschah. Das Entschädigungstribunal war im vergangenen Sommer von Justiz- und Sozialministerium ins Leben gerufen worden. Die drei Richter waren von regierungsunabhängigen Institutionen, dem Verband der Obersten Richter, der Ärztekammer und der Anwaltskammer, ausgesucht worden. Dieses Verfahren war notwenig geworden, da in den noch andauernden Strafprozess um Kindermissbrauch im Casa Pia auch Politiker verwickelt waren.

Insgesamt stehen seit 2004 sieben Angeklagte vor Gericht. Das Geschäft, das Heimangestellte in den 80er- und 90er-Jahren mit den Kindern betrieben, war perfekt aufgezogen. Einige wurden auf den Straßenstrich geschickt, andere direkt an einflussreiche Päderasten vermietet. Viele der Opfer sind taubstumm und können deshalb nur schwer verhört werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelte monatelang gegen hohe Politiker. Der Exarbeitsminister, die damalige Nummer 2 der Sozialistischen Partei, saß 2003 fünf Monate in Untersuchungshaft. Die Anschuldigungen gegen ihn sollten sich ebenso als falsch herausstellen wie die gegen Expräsident Jorge Sampaio.

Unlängst machte der Fall erneut Schlagzeilen, als die Tageszeitung 24 horas die Staatsanwaltschaft beschuldigte, ohne richterliche Anordnung 80.000 Privatgespräche abgehört zu haben. Unter den Abgehörten sollen sich hohe Persönlichkeiten befinden, so Staatschef Jorge Sampaio. REINER WANDLER