RUDOLF BALMER ÜBER DIE RENTENREFORM IN FRANKREICH
: Vorprogrammierter Konflikt

Wer länger lebt, soll länger arbeiten. Das ist die Logik, mit der für jede Reform zur „Rettung“ des Rentensystems argumentiert wird. Auch die französische Linksregierung rechtfertigt mit dieser Binse eine Politik, die nichts anderes als einen sofortigen Lohn- und einen Rentenabbau auf Zeit darstellt. Wer ins Berufsleben eintritt oder unter 40 ist, wird nicht mehr mit 60 Jahren in den Ruhestand gehen wie heute die Franzosen, sondern bestenfalls mit 65 oder 66 – und mit vergleichsweise weniger Rente.

Mit dieser Methode der Finanzierung der Altersvorsorge wird ein Generationenkonflikt vorprogrammiert. Wenigstens sollte Premierminister Jean-Marc Ayrault den Mut haben, das zuzugeben. Stattdessen möchte er die Vorschläge zur Verminderung der effektiv wachsenden Defizite als sozial ausgewogen und gerecht verstanden haben. Nur weil er die Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebern empfangen hat und einige vage bleibende Korrekturen bei der Rentenberechnung ankündigt, ist das noch lange kein Fortschritt.

Für die Wähler des sozialistischen Präsidenten François Hollande ist es eine weitere herbe Enttäuschung, dass seine rot-grüne Regierung nicht nur die Reformen der konservativen Vorgänger absegnet, gegen die in den letzten Jahren die gesamte Linke protestiert hatte, sondern noch darüber hinausgeht.

Selbst wenn der Druck der demografischen Entwicklung ein Faktum ist, gäbe es Alternativen für die langfristige Finanzierung und Verbesserung des Rentensystems. Dazu aber müsste die derzeit als einzige Lösung geschluckte neoliberale Sparpolitik im Rahmen einer generellen Umverteilung infrage gestellt werden. Dafür braucht es Mut statt der Resignation, die in Paris neue Regierungsdevise zu sein scheint.

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