MUTTER UND ICH
: Völlig undominant

Ich sei weder beim Sex noch bei sonst irgendetwas besonders durchsetzungsfähig

In den Waschräumen des hochpreisigen Hotels lagen zusammengerollte gelbe Handtücher mit Emblem, im Rezeptionsraum riecht es nach Patschuli, Moschus oder Räucherkerzen (drei mir unangenehme Gerüche, die ich nicht voneinander unterscheiden kann: Jugend in den Achtzigern).

Als ich auf meinen Platz in der Hotelbar zurückkehre, frage ich mich, woher die Anziehung kommt, die von der putzigen, aber ohne Zweifel von allzu langer Einsamkeit und Erfolglosigkeit sicht- und vor allem hörbar gebeutelten Frau auf dem Platz neben mir ausgeht. Ist es, weil ich sozial und psychisch knapp über ihr stehe? Ist es ihre mütterliche Art oder die Art, wie sie mich an meine Mutter erinnert? Ist es ihre norddeutsche Art zu reden, die mich wiederum an lang vermisste Tanten aus der väterlichen Linie denken lässt? Oder weil sie so klein und üppig ist, und so jenseits der Frage nach Kindern?

Ich sei kein Womanizer, sagt sie, als wir gehen. Ich sei zu weich, weswegen ich auch auf Feministinnen wie sie anziehend wirke. Ich bin weder beim Sex noch bei sonst irgendetwas besonders durchsetzungsfähig, das hatte mir schon eine andere Frau vor Kurzem bescheinigt. Das liege, hatte ich zugegeben, an der intensiven und komplizierten Beziehung zu meiner Mutter, der ich aber auch meine Sensibilität verdanke. Die andere Frau hatte mir in einem Text den Namen meines Bruders gegeben, so wie meine Mutter in den ersten Stunden meines Lebens. Bis mein Vater mich auf dem Amt unter meinem jetzigen Namen anmeldete. Ich sollte mich mehr an die Väter halten. Obwohl gleichzeitig gilt: All diese Frauen haben Recht und irren sich doch gewaltig.

Als ich wieder nach Hause kam, hatten Stalkerinnen die Klinke meiner Wohnungstür mit Vaseline eingeschmiert. Keine Ahnung, auf was sie damit hinauswollten. Vielleicht ließen sie sich einfach nur von blöden Impulsen leiten. RENÉ HAMANN