Stoiber am Brüssel-Schreibtisch

Mit Staatsministern und Landespresse führt Bayerns Landesvater ein neues Stück auf: „Kabinettssitzung im Ausland“. Ergebnisse: Euro – ja, Kongo – ja, Türkei – nein

BRÜSSEL taz ■ Im Park des Europaparlaments in Brüssel leistet sich der Freistaat Bayern ein Schlösschen, das in Anspielung auf König Ludwigs Prachtentfal-tung Neuwahnstein genannt wird. wird. Der Schreibtisch aus poliertem schwarzem Granit steht meist leer. Gestern allerdings versammelte Stoiber sein ganzes Kabinett dort – „zur ersten Sitzung eines Bayerischen Ministerrates im Ausland“, wie er der eigens mitgenommen Landtagspresse stolz erklärte. „Bayern ist ein starkes und selbstbewusstes Land, das sich in Europa einbringt und mitgestaltet.“

Die Lage der Landesvertretung, Tür an Tür mit dem Europaparlament und dem Rat der Regionen, sei Programm, wird bei Schlossführungen gern herausgestellt. Und so war es nur konsequent, dass sich Stoiber und sein Kabinett gestern den ganz großen und den ganz kleinen Dingen mit gleicher Sorgfalt widmeten. Thema Nummer eins natürlich die Grenzen der Union. „Ein EU-Beitritt der Türkei kommt nicht infrage“, erklärte der Ministerpräsident Europa. Nach Bulgarien, Rumänien und Kroatien müsse Schluss sein.

Dem Kongoeinsatz der Bundeswehr steht Stoiber positiv gegenüber – sofern die Rahmenbedingungen stimmen und ein Abzug nach vier Monaten gewährleistet ist. „Es muss jetzt aber auch sehr schnell entschieden werden, in welcher Weise die Bundeswehr bei der Fußball-WM eingesetzt werden kann.“ Den Menschen sei nicht zu vermitteln, warum deutsche Soldaten den Flughafen von Kinshasa sichern dürften, die deutschen Stadien aber nicht.

Beim Treffen mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Nachmittag mahnte Stoiber, die EU-Kommission müsse ihre Rolle als Hüterin des Binnenmarkts erfüllen. „Dass Länder wie Spanien oder Frankreich den Binnenmarkt für sich nach Belieben einfordern und gleichzeitig wichtige Übernahmeversuche wie bei Eon blockieren“, sei nicht akzeptabel. Damit spielte er darauf an, dass die spanische Regierung versucht, die deutsche Übernahme des Energieversorgers Endesa zu verhindern.

Beim Geld allerdings hat Stoibers EU-Begeisterung ihre Grenzen. Wenn ein Land wie Deutschland viel mehr einzahle, als es aus EU-Kassen zurückerhalte, müsste ein Rabatt eingeführt werden. Ländern, die durch niedrige Körperschaftsteuern Unternehmen abwerben, will Bayerns Ministerpräsident gar Strukturmittel streichen. Ab welchem Dumpingsteuersatz das geschehen soll, verriet er aber nicht.

DANIELA WEINGÄRTNER

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