9 Stunden Verhör auf dem Flughafen

ÜBERWACHUNG David Miranda, Lebenspartner des britischen „Guardian“-Journalisten, der den NSA-Skandal publik machte, beim Transit in London Heathrow festgehalten. Geheimagenten beschlagnahmen seinen Computer

VON BERND PICKERT

BERLIN taz | Es ist ein bislang beispielloser Vorgang. Am frühen Sonntagmorgen haben britische Geheimagenten David Miranda, den Lebensgefährten des für den britischen Guardian arbeitenden Journalisten Glenn Greenwald, am Londoner Flughafen Heathrow festgesetzt. Greenwald ist jener Journalist, dessen Interview mit dem NSA-Whistleblower Edward Snowden den Beginn der Snowden-Saga begründete. Er war es auch, der von Snowden die ersten Dokumentenpakete erhalten und für den Guardian aufgearbeitet hatte.

Als Miranda in Heathrow festgehalten wurde, kam er aus Berlin, wo er sich mit einer Filmemacherin getroffen hatte. Er befand sich auf dem Rückflug nach Rio de Janeiro, wo der Brasilianer mit seinem Lebensgefährten Greenwald lebt.

Um ihn in Heathrow verhören zu können, beriefen sich die britischen Ermittler auf Sektion 7 des britischen Antiterrorgesetzes aus dem Jahr 2000. Der Passus erlaubt das Festhalten von Personen und die Durchsuchung ihres persönlichen Eigentums, um mögliche Verbindungen zu terroristischen Organisationen herauszufinden. Ein begründeter Anfangsverdacht ist ausdrücklich nicht notwendig. Laut einem von der britischen Regierung im September 2012 herausgegebenen Dokument werden von 10.000 Passagieren durchschnittlich drei kurzzeitig festgehalten und befragt. Zwischen Januar 2009 und März 2012 dauerten laut demselben Dokument nur 3 Prozent der Befragungen länger als eine Stunde und nur eine von 2.000 Befragungen über sechs Stunden. David Miranda wurde volle neun Stunden festgehalten – die maximale Zeit, die nach dem Gesetz erlaubt ist.

In letzter Minute vor Ablauf dieser Frist ließen die Polizisten Miranda frei – alle seine elektronischen Geräte und Datenspeicher jedoch bleiben beschlagnahmt.

Sechs Stunden zuvor, schreibt Greenwald im Guardian, um halb sieben Uhr morgens brasilianischer Zeit, hatte er einen Telefonanruf erhalten. Am anderen Ende der Leitung war ein Mann, der seinen Namen nicht nennen wollte, sondern sich als „Funktionär der Sicherheitsbehörden“ vorstellte. Die Botschaft des Anrufers, der nur seine Kennnummer „20 36 54“ nennen will: Die britischen Behörden könnten David Miranda bis zu neun Stunden lang verhören – um dann zu entscheiden, ob sie ihn formal verhaften und unter Anklage stellen oder das Gericht bitten, das Verhör noch weiter ausdehnen zu dürfen.

Greenwald informierte daraufhin sowohl Anwälte in Großbritannien als auch die brasilianische Regierung. Aber weder die einen noch die anderen durften während der neun Stunden in Polizeigewahrsam Kontakt zu Miranda aufnehmen.

Die brasilianische Regierung reagierte daraufhin scharf: „Es gibt keinerlei Rechtfertigung für diese Maßnahme, denn sie betrifft ein Individuum, gegen das keinerlei Anwürfe vorgebracht werden, die die Anwendung dieses Gesetzes legitimieren würden.“

Auf scharfe Kritik stieß das Vorgehen auch in Medienkreisen. „Die USA und Großbritannien versuchen offenbar, das Netzwerk zu zerstören, das hinter den journalistischen Veröffentlichungen über die staatlichen Überwachungsprogramme beider Länder steht“, kritisiert der Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen, Michael Rediske. Dass Miranda unter Berufung auf Antiterrorgesetze über die Arbeit Greenwalds befragt wurde, bewertete er als klaren Missbrauch. „Das bestätigt unsere immer wieder geäußerte Befürchtung, dass die seit 2001 in vielen Ländern beschlossenen Antiterrorgesetze für ganz andere, oft beliebige Zwecke der Staatsräson benutzt werden“, sagte Rediske.