Eine echte Schweinerei

Wettskandal oder Medienskandal, Recherche oder Rufmord? Die Anschuldigungen der Boulevardzeitung „tz“ gegen Fußballnationalspieler Schweinsteiger empören DFB und FC Bayern

von ANDREAS RÜTTENAUER
und STEFFEN GRIMBERG

Nix G’wiss’ woaß man net. Das sagt man in München mit der für das Bairische typischen doppelten Verneinung immer dann, wenn man nur eine gewisse Ahnung hat. Eine gewisse Ahnung hatte auch die Münchner Boulevardzeitung tz, als sie verkündete, dass der deutsche Fußballnationalspieler Bastian Schweinsteiger in einen Wettskandal verwickelt sein soll. Mehr hatte sie nicht. Das behauptet zumindest der FC Bayern, das behauptet auch Bastian Schweinsteiger. Beide wollen rechtliche Schritte gegen die Zeitung einleiten. Sie sprechen von Rufmord, Bayern-Manager Uli Hoeneß ist richtig wütend. „Pfui Teufel!“, sagte er und sprach vom Missbrauch der Pressefreiheit.

Es ist alles ganz schnell gegangen. Gerade zwei Tage nachdem die Öffentlichkeit von den Recherchen des Fernsehmagazins „Plusminus“ erfuhr, wonach auch ein Nationalspieler in die Machenschaften der Wettmafia verwickelt sein soll, wurde der erste Name in dicken Lettern präsentiert: Schweinsteiger, 21. Schweini, unser aller Hoffnung für die WM. Ausgerechnet er, der Gute-Laune-Fußballer. Für den Deutschen Fußball-Bund, für den FC Bayern, für dessen Trainer Felix Magath („Der spielt noch nicht einmal Karten“) steht fest, dass Schweinsteiger unschuldig ist.

Die tz ist auch schon zurückgerudert. Die bundesweit erhältliche Abendausgabe des Blattes hatte noch getitelt: „Schweini & Agostino zum Polizeiverhör“. Beide, so die tz, „werden von der Staatsanwaltschaft München I als ‚Beschuldigte‘ geführt. So heißt es aus Vereinskreisen.“

So ganz sicher scheint sich aber das Blatt schon da nicht mehr gewesen zu sein, denn ein paar Zeilen später findet sich ein für den deutschen Boulevardjournalismus nicht gerade üblicher Satz: „Es ist – um es noch einmal deutlich zu sagen – gar nichts bewiesen. Nichts.“

„Beschuldigter“ ist man aber erst, wenn ein Ermittlungsverfahren läuft.

In späteren Ausgaben der tz folgte dann prompt eine Art Richtigstellung: „Bei der Staatsanwaltschaft München I läuft seit einigen Tagen ein Vorermittlungsverfahren.“ Und „aus sicheren Quellen“ habe die „tz-Redaktion“ erfahren, dass dabei der Name „des Fußball-Nationalspielers Bastian Schweinsteiger (21) gefallen“ sei und dass Schweinsteiger und Co „von der Polizei verhört werden. Auch wenn es dafür im Moment keine offizielle Bestätigung gibt.“

Gestern gab man sich auch in der tz-Chefredaktion erwartungsgemäß wortkarg: keine weiteren Erklärungen. Es handele sich schließlich um ein schwebendes Verfahren. Ein Verfahren, das am Ende für das Blatt teuer werden könnte: Bayern-Manager Hoeneß jedenfalls freut sich schon auf eine „Millionenklage“. Mitautor der tz-Exklusivgeschichte ist übrigens ein gewisser Max Breitner. Dessen Vater Paul, einst Freund und Kollege von Hoeneß, gilt im Verein schon länger als „Unperson“.

Der Restboulevard konnte zur Klärung der Dinge auch nicht wirklich beitragen: Bild brachte zwar einen großen Artikel mit gleich sechs Namen in der Autorenzeile, aber wenig neue Fakten. Und die ebenfalls zum Springer-Konzern gehörende Berliner B. Z. schaffte es in treuer Solidarität mit dem FC Bayern und dem DFB, Schweini namentlich gar nicht zu nennen. Sondern sich nur mit Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge über den „Rufmord an einem armen 21jährigen“ zu echauffieren.

Und so darf weiter spekuliert werden. In jede Richtung. Es gab ja schon immer Bemühungen, den Jungprofi Schweinsteiger über seine fußballerischen Fähigkeiten hinaus aufzubauen. Zu einem, der nicht nur populär ist, weil er auf dem Platz bisweilen zu glänzen weiß, sondern ankommt, weil er nicht dem Bild des aalglatten Profis entspricht, der seine Sportklamotten mit dem Aktenkoffer zum Trainingsgelände transportiert. Wenn über Schweinsteiger gesprochen wird, ist schnell von seinen angeblichen Eskapaden die Rede. Er hatte schon Ärger mit der Verkehrspolizei, kam viel zu spät aus der Diskothek zurück und wurde nachts auf dem Vereinsgelände am Whirlpool mit einer jungen Frau erwischt, die er als seine Cousine ausgab. Ein richtiger Bösewicht lässt sich aus diesen Episoden nicht basteln. Ein spielsüchtiges Fußballgenie, das keine Hemmungen hat, sich in der Halbwelt herumzutreiben, würde da schon mehr hermachen.

Ein deutscher Paul Gascoigne hätte sicher auch seine Bewunderer. Bastian Schweinsteiger würde tief fallen, wenn sich die Anschuldigungen bewahrheiten würden. Es scheint Menschen zu geben, die sich genau das wünschen.