Leichter Einbruch beim Einbruch

KRIMINALITÄT Seit 2005 hatte sich die Zahl der Wohnraumeinbrüche in Berlin verdoppelt. Jetzt gibt es einen „leichten Rückgang“. Ein Erfolg der Abschreckung, meint die Polizei

„Die Täterseite merkt, dass wir aktiver sind“

KRIMINALOBERRAT MARKUS HENNINGER

VON MILENA MENZEMER

Nicht gut: Wenn man nach Hause kommt und den Schlüssel zückt – und feststellen muss, dass die Wohnungstür schon geöffnet wurde. Von einem Fremden. Der die Möbel verrückt hat und die Schubladen geöffnet. Und Schmuck und Bargeld nun fehlen.

„Viele Wohnungen sind immer noch nicht gesichert. Und so viele Menschen schließen die Tür nicht ab oder lassen die Fenster offen, wenn sie das Haus verlassen“, kritisiert Kriminaloberrat Markus Henninger, der für die Bezirke Mitte, Tiergarten und Wedding das Einbruchskommissariat leitet. Mit Einbruch scheinen die Berliner nicht zu rechnen.

Dabei hat sich die Zahl der Wohnraumeinbrüche in der Stadt seit 2005 verdoppelt. 12.291 Einbrüche in Wohnungen und Einfamilienhäuser meldete die Berliner Polizei für 2012. Für die ersten sechs Monate im Jahr 2013 erfasste die Polizei aber einen „leichten Rückgang“ der Einbruchszahlen. „Das dürfte an unseren Bekämpfungskonzepten liegen“, sagt Henninger. „Die Täterseite merkt, dass wir aktiver sind. Wir haben zum Beispiel die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft intensiviert.“

So gebe es mittlerweile vermehrt Haftbefehle für reisende Täter, lobt der Kriminaloberrat. Wurden 2011 noch 55 Haftbefehle gegen EinbrecherInnen erwirkt, waren es laut Kriminalstatistik im Folgefahr 96. So könnten Diebe ohne festen oder ohne bekannten Wohnsitz nicht mehr aus der Stadt verschwinden, bevor man sie dem Gericht vorführe, sagt Henninger: „Das schreckt ab. Der erhobene Zeigefinger reicht nicht.“

„Etwa 50 Prozent der Wohnraumeinbrüche werden von professionell organisierten Banden begangen“, so Henninger. „Das sind vor allem reisende Tätergruppen aus Osteuropa, die nach der Beutetour weiter in die nächste Stadt oder Staat ziehen.“ Etwa 30 Prozent der Einbrüche sollen von ortsansässigen Tätern begangen werden, und die restlichen 20 Prozent seien Beziehungstaten. Henninger: „Jemand holt sich vom Expartner Gegenstände zurück, die ihm angeblich noch zustehen. Oder ein Freund bestiehlt den anderen, wenn er von dessen neuer Playstation oder anderen Anschaffungen erfährt.“

Ob diese Zahlen aber auch die Realität spiegeln, kann durchaus bezweifelt werden. Diese Einschätzung basiert nur auf einem Bruchteil der tatsächlich verübten Einbrüche. Laut Kriminalstatistik konnte die Polizei 2012 nur 6,5 Prozent der Berliner Wohnraumeinbrüche aufklären, etwa 800 von fast 12.300 Delikten.

Nur in den seltensten Fällen räumen die Täter eine komplette Wohnung leer. Meistens werden Bargeld und Schmuck entwendet. Aber auch Laptops und Telefone sind begehrt. Für 2012 schätzte die Berliner Polizei Einbruchschäden im Gesamtwert von über 41 Millionen Euro.

Die Folgen für die Psyche

Aber nicht nur der materielle Verlust schmerzt – auch die psychischen Folgen eines Einbruchs wiegen schwer für die Opfer. Viele Menschen fühlen sich zu Hause nicht mehr sicher, nachdem eine fremde Person dort einmal eingestiegen ist. Karl-Günther Theobald vom Weißen Ring, dem Verein für Opferhilfe, erklärt: „Mein Zuhause ist mein Ort der Sicherheit, der Geborgenheit, mein Rückzugsort.“ Jeder Mensch erfahre eine tiefe Verunsicherung, wenn ein Fremder in diese Privatsphäre einbreche.

Etwa 10 Prozent der Einbruchsopfer hätten behandlungsbedürftige psychische Probleme: „Die Opfer können soziale Ängste aufbauen. Das reicht von ‚nie wieder die Wohnung verlassen‘ bis zu ‚nie wieder hineingehen‘. Sie leiden unter Panikattacken, Albträumen, Schlaflosigkeit“, so Theobald. 43 Berliner Einbruchopfer haben sich im vergangenen Jahr beim Weißen Ring in Traumatherapie begeben.

Der Diplompsychologe rät Einbruchsopfern nicht zum Umzug. Die Wohnung sei nach dem Vorfall schließlich nicht unsicherer geworden, sondern eher sicherer, weil die Opfer zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen träfen. Theobald: „Und das Kernproblem, die Ängste, sind auch in der zweiten Wohnung noch da.“