Schulessen wohl mit Pestiziden versetzt

INDIEN Die 23 Kinder, die in einer Dorfschule in Bihar an vergiftetem Essen starben, sind beigesetzt worden. Die Suche nach den Ursachen läuft. Schulleiterin mitsamt Familie sind verschwunden

BANGKOK taz | Eltern und Angehörige haben im indischen Bundesstaat Bihar am Mittwoch und am Donnerstag ihre Kinder beigesetzt, die an vergiftetem Schulessen gestorben sind. Die meisten der 23 Kinder beerdigten sie auf dem Gelände der Schule, die ihre Kinder besucht hatten.

Der Vorfall dominiert in Indien derzeit die Berichterstattung. Am Dienstag zeigten plötzlich 47 Schulkinder an einer Dorfschule in Dharmasati Gandamal, rund 80 Kilometer nördlich der Landeshauptstadt Patna, während des Mittagessens schwerste Vergiftungserscheinungen. Viele der Kinder übergaben sich bereits nach dem ersten Bissen. Das hat vielen von ihnen vermutlich das Leben gerettet.

Noch immer ist nicht geklärt, wie es überhaupt zu der Tragödie kommen konnte. Offenbar hat die Köchin der Schule der Schulleiterin mitgeteilt, dass etwas mit dem Öl, das sie für die Zubereitung des Essens verwenden sollte, nicht stimmte, sagte der Bildungsminister des Bundesstaats Bihar, PK Shahi. Die Schulleiterin habe ihr jedoch gesagt, dass das Öl selbst gemacht und in Ordnung sei. Es stamme aus dem Geschäft ihres Mannes. Die Schulleiterin, ihr Mann und ihre gesamte Familie sind seit dem Vorfall auf der Flucht.

Das Schulessen ist Teil einer Initiative der indischen Regierung, mit der die vor allem in Nordindien noch immer weitverbreitete Unterernährung bekämpft werden soll. So sollen arme Familien dazu ermutigt werden, ihre Kinder überhaupt in die Schule zu schicken. Rund 120 Millionen Kinder an 1,2 Millionen Schulen nehmen laut der Regierung an dem Programm teil. Doch schon vor der Tragödie vom Dienstag gab es immer wieder Kritik an der Qualität des Essens.

Ein weiterer Grund dafür, dass so viele Kinder gestorben sind, dürfte die desolate Verfassung sein, in der sich die Gesundheitsversorgung in vielen Regionen Nordindiens befindet. Mitarbeiter einer Krankenstation nahe der Schule waren nach dem Vorfall offenbar nicht in der Lage, die vergifteten Kinder zu behandeln. Viele der Angehörigen brachten ihre Kinder daraufhin in die nächste Provinzstadt, die eine Stunde entfernt liegt, oder gar bis in die Landeshauptstadt.

Die Landesregierung erklärte, dass das Essen ersten Untersuchungen zufolge vermutlich mit einem Pestizid versetzt war. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Kinder absichtlich vergiftet worden seien. Sollten sich fortan viele Eltern weigern, ihre Kinder an den Schulen essen zu lassen, könnte das dramatische Folgen haben.

In Indien leben laut Zahlen des Welternährungsprogramms noch immer ein Viertel aller Hungernden weltweit. 43 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren sind laut der Regierung unterernährt. SASCHA ZASTIRAL