schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Gründe, den Tod der Malerei zu besingen, gibt es viele. Aber dafür in eine Ausstellung mit Malerei zu laden ist doch einigermaßen zynisch. Marius Babias, Leiter des Neuen Berliner Kunstvereins, hat die Ausstellung mit 129 kleinformatigen Ölgemälden der Schweizer Künstlerin und Professorin für Malerei an der Universität der Künste, Valérie Favre, zwar kuratiert, scheint aber ob seiner allerersten Präsentation dieser klassischen Form enormen Rechtfertigungsdruck zu verspüren. Zur Einstimmung auf einen Vortrag mit dem Titel „Das Dilemma der Malerei, heute“ betonte Babias in der letzten Woche ziemlich kaltschnäuzig, dass er die Malerei für eine mehr oder weniger überkommene Disziplin halte, weshalb er auch lieber „diskursive“ Kunst zeige. Der Redner Michael Diers, Professor für Kunstgeschichte in Berlin und Hamburg, wies die Einschätzung, dass auch er sich nicht für Malerei interessiere, zwar postwendend zurück, versuchte dann aber seinerseits zu argumentieren, dass ihr im Vergleich zu den neueren Medien heutzutage nur wenig gelinge. Die Kritik an der Gattung ist noch dieselbe wie vor 50 Jahren, als der Niedergang im Angesicht bewegter Bilder, Happenings und Installationskunstwerke eingeleitet wurde. Zu dekorativ sei sie, zu sehr mit sich selbst beschäftigt und dann auch noch zu gut verkäuflich. Dabei sind eitler Kitsch oder akademische Selbstreferenzialität auch bei Videokunst, Fotografie oder Performance zu diagnostizieren. Das eigentliche Dilemma der Malerei ist die Tatsache, dass sie sich zu leicht diskreditieren und ins Bockshorn der momentan so beliebten „prozessorientierten“ Kunst jagen lässt.

Valérie Favre blieb im Publikum jedoch mit der Gelassenheit der Malerin ungerührt von allen Zweifeln an ihrem Metier. Ihre Serie „Selbstmord. Suicide.“ beschäftigt sich auf sinnlich-subjektive wie enzyklopädische Weise mit dem eigenbestimmten Ableben. Favre bezieht sich auf prominente Selbstmorde, formale Prinzipien der Selbstauslöschung und ihren emotionalen Widerhall. Jedes Bild kann als einzelnes Werk gesehen werden, aber auch als Teil einer Installation, denn die Gemälde nehmen auch untereinander Beziehungen auf. Die Aura des Todes, vor allem des unbeschreiblich egoistischen wie souveränen Aktes, Zeitpunkt und Ort sowie die Ursache selbst zu wählen, sublimiert sie auf die auratische Ebene des einzigartigen Bildes. In der malereifeindlichen Atmosphäre des n.b.k. kann man die strenge Reihe der Sterbebildchen nun auch als Protest sehen. Denn Totgesagte leben bekanntlich länger! (Bis 28. Juli, Di.–So. 12–18 Uhr, Do. 12–20 Uhr, die Vortragsreihe „Das Dilemma der Malerei, heute“ wird fortgesetzt.)