„Die ARD ist scheinheilig“

Enthauptungs-Videos würde auch n-tv-Chefredakteur Markus Föderl niemals senden. Das Zeigen von Geisel-Videos im Fernsehen hält er jedoch für zulässig – als Teil einer einordnenden Berichterstattung

Interview Christian Rath

Die irakischen Entführer der deutschen Geiseln René Bräunlich und Thomas Nitzschke haben ein Video gedreht, um zu beweisen, dass die Geiseln noch leben. Der arabische Fernsehsender al-Dschasira hat das Video ausgestrahlt. In Deutschland zeigten ARD und ZDF ein Standbild, während RTL und der Nachrichtenkanal n-tv das Video präsentierten.

taz: Herr Föderl, warum haben Sie Teile des Entführer-Videos ausgestrahlt?

Markus Föderl: Das Video war für uns notwendiger Bestandteil der Berichterstattung über diese Entführung.

Was ist auf dem Video zu sehen?

Die Geiseln hocken auf dem Boden, dahinter stehen vier vermummte Männer, drei zeigen ihre Gewehre, einer verliest eine Botschaft. Auf dem Standbild, das ARD und ZDF gezeigt haben, ist letztlich dasselbe zu sehen.

Hätte dann nicht auch das Standbild genügt?

Wir sind nun mal im Fernsehen, da geht es um bewegte Bilder, nicht um Fotos. Aber ich räume ein, der Unterschied ist wirklich nicht sehr groß.

Die öffentlich-rechtlichen Sender sagen, es sei unerträglich, die Todesangst der Geiseln im Fernsehen zu zeigen.

Aber ein Standbild zeigen sie doch auch. Ich finde es schon etwas scheinheilig, wenn ARD und ZDF sagen, wegen der Würde des Menschen sei nur ein Standbild zulässig. Uns war wichtig, dass wir das Video nicht für sich genommen, sondern als Teil einer einordnenden Gesamtberichterstattung gezeigt haben.

Der Ausschnitt dauert immerhin 21 Sekunden …

Naja, das Standbild beim ZDF steht auch eine ganze Weile, weil das Auge ja auch eine gewisse Zeit braucht, um eine solche Szene einzuordnen. Gerade deshalb haben wir bewusst eine Sequenz des Videos ausgewählt, die wir für einigermaßen unbedenklich halten.

Bringen laufende Bilder mehr Quote?

Es geht uns überhaupt nicht um Sensationslüsternheit. Wir haben ausführliche Hintergrund-Sendungen und Diskussionsrunden zu der Entführung im Programm.

Machen sich Medien zum Handlanger der Verbrecher, wenn sie solche Bilder zeigen?

Das glaube ich nicht. Die Bundesregierung wird das Erforderliche tun, egal welche Bilder wir zeigen.

Welche Bilder würden Sie nicht zeigen?

Enthauptungs-Videos haben wir schon in der Vergangenheit nicht gebracht und werden das ganz sicher auch in Zukunft nicht tun. Bei vielen anderen Ereignissen diskutieren wir genau, welche Bilder wir zeigen.

Zum Beispiel?

Die verkohlten Leichen in den Straßen von Falludscha (Stadt im Irak, in der Kämpfe zwischen US-Truppen und Aufständischen stattfanden, d. Red.) haben wir nicht gezeigt. Oder nach dem Terroranschlag von Madrid haben wir lange überlegt, was wir zeigen können – und uns dann bewusst entschieden, bestimmte Bilder eben nicht zu zeigen.

Nachrichten werden auch tagsüber gezeigt, wenn Kinder vor dem Fernsehen sitzen. Wie nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr?

Unser Programm besteht fast vollständig aus Nachrichten, Wirtschaft und Talk. Da schauen naturgemäß eher Erwachsene als Kinder zu. Im Endeffekt tragen aber die Eltern die Verantwortung dafür, was ihre Kinder ansehen. Es gibt nun einmal viel Not und Elend auf der Welt – und wir wären schlechte Journalisten, wenn wir darüber nicht berichten würden.