„Alle wollen auf den Titel“

MEDIENERZIEHUNG Eine Förderschul-Zeitung aus Wilhelmsburg siegt beim Bundeswettbewerb

■ 41, der Lehrer unterrichtet seit 2002 an der Willi-Kraft-Schule in Wilhelmsburg und hat hier auch vor sechs Jahren die jetzt ausgezeichnete Schülerzeitung WKS-Aktuell gegründet.

taz: Herr Hattenhauer, das Motto der jüngsten Ausgabe von WKS-Aktuell heißt: „Was haben wir verdient“? Was haben Ihre Schüler denn verdient?

Martin Hattenhauer: Zum Beispiel respektvolle Behandlung, guten Unterricht und gute Freunde.

Bundesratspräsident Winfried Kretschmann zeichnet heute in Berlin Ihre Schülerzeitung aus. Warum haben sie die eigentlich damals vor sechs Jahren ins Leben gerufen?

Weil es unter den hiesigen Schülern keineswegs üblich ist zu schreiben – und schon gar nicht über eigene Gedanken oder Hobbys. Auch das Zeitunglesen ist nicht sehr verbreitet. Das wollte ich ändern. Ich wollte also einerseits Schreib- und andererseits Medienerziehung bieten.

Hat’s gefruchtet?

So etwas ist ja immer schwer messbar. Aber ich kann im Schnitt acht Schüler im Rahmen der Projekttage begeistern, die halbjährlich erscheinende Zeitung zu gestalten. Und damit meine ich den gesamten Ablauf vom Schreiben im Notebook bis zum Layouten und Einfügen der Bilder.

Worüber schreiben die Schüler denn so?

In der prämierten Ausgabe, die wohl auch wegen der Vielschichtigkeit ihres Mottos gewonnen hat, geht es um Ausgrenzungserfahrungen der Förderschüler. Aber auch um die Frage, ob sie in einer Förder- oder in einer Inklusionsklasse lernen wollen. Und darum, ob Facebook-Freunde überhaupt als echte Freunde gelten können.

Der erwähnte Titel „Was haben wir verdient“ – den haben aber Sie vorgegeben.

Nein, es läuft umgekehrt. Ich animiere die Schüler, über persönliche Erfahrungen zu schreiben. Das tun sie, und anhand der vorliegenden Texte destillieren wir dann einen roten Faden heraus und suchen gemeinsam einen Titel.

Und wer entscheidet über die Titelseite?

Wir alle. Eine Diskussion führe ich allerdings bei jeder Ausgabe wieder: Regelmäßig wollen alle Redakteure auf der Titelseite abgebildet sein.

Aber das lassen Sie nicht zu.

Nein.

Wie bringen Sie die Schüler davon ab?

Indem ich ihnen andere Zeitungen zeige und erkläre, dass das Titelblatt immer etwas mit den Inhalten der Zeitung zu tun haben muss.

Also kein Foto der MacherInnen.

Doch, wir haben einen Kompromiss gefunden: Das Redaktionsfoto prangt auf der letzten Seite.INTERVIEW: PS