„Mehrwertsteuer nicht erhöhen“

Das Konjunkturpaket der Bundesregierung verpufft, glaubt der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Alfred Steinherr. Die Mehrwertsteuererhöhung sollte man wieder absagen

taz: Herr Prof. Steinherr, nach Berechnungen der Universität Leipzig kostet das Konjunkturpaket der Bundesregierung Arbeitsplätze und schwächt das Wachstum. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?

Alfred Steinherr: Die Zahlen decken sich mit unseren Berechnungen. Das Konjunkturpaket hat nur marginale positive Effekte. Entscheidend für das deutsche Wachstum bleiben der Außenhandel und die Weltkonjunktur. Für die Binnenwirtschaft ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer ein Damoklesschwert, denn sie schwächt das Wachstum und treibt die Inflation an.

Wieso bringt das Konjunkturpaket nicht den erhofften Aufschwung?

Deutschland hat ein Wachstums- und kein Schuldenproblem. Der große Fehler der Bundesregierung war es, die Priorität von Anfang an auf den Abbau der Schulden zu setzen. Drastischer Schuldenabbau geht aber auf Kosten von Wachstum und Beschäftigung, weil er mehr als verkraftbar Nachfrage entzieht. Diese Strategie ist auch fragwürdig, weil Verschuldung durch die niedrigen Zinsen seit Jahren sehr billig ist. Es wäre richtig, jetzt mehr zu investieren, denn jedes Prozent Wachstum reduziert das Defizit automatisch um ein halbes Prozent.

Was bedeutet das für die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer?

Die Mehrwertsteuer sollte nicht erhöht werden. Vielleicht wäre es am besten, die Erhöhung am 31. 12. 2006 wieder abzusagen. Dann hätten wir die Vorzieheffekte und würden uns die drohende Konjunkturdämpfung ersparen.

Was kann die Bundesregierung noch tun?

Wachstum bekommen wir nur durch neue Jobs. Dazu müssen die Lohnnebenkosten drastisch sinken. Wegen 2 Prozent weniger Kosten stellt kein Unternehmer neue Arbeiter ein. Doch 10 Prozent weniger Lohnnebenkosten schaffen bis zu 1 Million neue Arbeitsplätze. Der Faktor Arbeit muss auch bei der Reform der sozialen Sicherungssysteme und des Gesundheitswesens erheblich entlastet werden. Nur so – und mit deutlich mehr Investitionen in Ausbildung und Forschung – kommen wir aus der Misere heraus.

INTERVIEW: TARIK AHMIA