KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Als Tomma Abts 2006 überraschend den Turner Prize gewann, blies ihr ein Sturm der Ablehnung entgegen. Harmlos seien ihre Gemälde, „nur“ Design und dekorative Tapete. Alles andere als aufregend. Bilder freilich, die die Kritiker mächtig aufregten. Denn sie entziehen sich. Bleiben bloße Oberfläche, zelebrieren die Wiederaufführung längst gesehener Formen, Farben, Kompositionen. Und dann auch noch in diesem langweiligen Format von immer gleichen 38 auf 48 Zentimetern. Irgendwie ein Unformat, weder klein noch groß, weder goldschnittig noch exzentrisch, weder in solcher Vielzahl produziert, dass man von interessanter Reihung sprechen könnte, noch so rar, dass man das Einzelwerk herausstellen wollte. Und dann noch diese seltsamen, weder bedeutungsschwangeren noch rätselhaften, sondern einfach unverständlichen Titeln, die am ehesten noch an Produkte eines schwedischen Möbelhauses erinnern. Auch sie entziehen sich, etwa der Begriffsklärung qua Suchmaschine. Googelt man „Sierk“ oder „Fimme“, erhält man keine erhellenden Ergebnisse, sondern nur wenig hilfreiche Kommentare eines überforderten Algorithmus: „Stattdessen suchen nach: Dierk“ oder „Stattdessen suchen nach: Fimmel“. Abts’ Bilder sind unfassbar. Und auch schlecht beschreibbar. Ihre geometrischen Konstruktionen von Streifen, Kurven und Flächen folgen keiner Ordnung, verweisen selten auf etwas Figürliches wie einen Stern. Meist bauen sie in kalter Perfektion ein flaches Relief von Farbschichten auf: Hier waren offenbar Stellen abgeklebt, dort drücken sich noch Konturen durch die oberste Ebene. Manchmal stellt Abts auch kleine Fallen. Ein Bild in der aktuellen Ausstellung in der Galerie Buchholz, die außerdem ältere, collagierte Gouachen und neueste Buntstiftzeichnungen zeigt, ist gar kein Gemälde, sondern der Bronzeabguss eines Gemäldes. Humorvoll wirkt das trotz solcher Finten nicht, auch nicht ernsthaft, am ehesten gleichgültig. Aber darüber aufregen? (bis 22. 6., Di.–Sa., 11–18 Uhr, Fasanenstr. 30)

 Als Surrealismus im Gewand angewandter Animationstechnik präsentiert sich der kurze Film „Glucose“ bei Hengesbach. Mihai Grecu & Thibault Gleize lassen hier Zierfische und Lebensmittel aufeinandertreffen wie weiland Regenschirm und Nähmaschine auf Max Ernsts Seziertisch. Das rumänisch-französische Multimedia-Duo interpretiert in einer Art gefilmter Assoziationskette Stichwörter wie Schwarmintelligenz, Molekularküche oder Quantenzustand und gewann dafür den Preis „Arte Créative“ auf dem Festival „Côté Court“ 2012 (bis 22. 6., Di.–Sa., 11–18 Uhr, Charlottenstr. 1).