Zwei Stunden Urlaub

Vor zwei Jahren bin ich von Berlin in den Norden Brandenburgs gezogen. Berlin blieb trotzdem in Reichweite, denn eine Regionalbahn verbindet meinen neuen Heimatort Fürstenberg stündlich mit dem Zentrum der Hauptstadt, Fahrzeit eine Stunde hin und wieder eine zurück (außer wenn an der Strecke gebaut wird). Die zwei Stunden machen mir gar nichts, dachte ich vor dem Umzug. Ich kann ja in der Zeit E-Mails erledigen, twittern oder im Netz schauen, was so in der Welt passiert ist. Das ist produktive Zeit.

Dann fuhr ich die ersten Male mit dieser Bahn und verzweifelte am fehlenden Internet. Nur an Bahnhöfen gab es (manchmal) für drei Minuten Netz. Ich war frustriert. Zwei Stunden tote Zeit bei jeder Berlinfahrt! Aber dann nahm ich irgendwann Strickzeug und Lesestoff mit, und seitdem mache ich das immer. Ich schätze diese Stunden der Ruhe und Ungestörtheit, unbeeinträchtigt vom Drang, unbedingt das Neuste aus der Welt nachschauen zu müssen. Das ist wie zwei Stunden Urlaub vom Rest der Welt, und ich genieße sie sehr.

Anke Domscheit-Berg, 45, ist Unternehmerin und Bundestagskandidatin der Piratenpartei