Auf die Schnelle einen Europäer finden

Die pädagogische E-Twinning-Plattform der EU versucht Zwillingsschulen aus ganz Europa zusammenzubringen. Bei der ersten Konferenz der Partner in Linz erweisen sich Motivation und Sprache – und das kreative Potenzial einzelner Schule – als die Trümpfe des Projekts. 11.528 Schulen machen mit

AUS LINZ CHRISTIAN FÜLLER

Es klingt ein bisschen wie Französische Revolution. Nur dass nicht mehr die 1789er „Liberté, Egalité, Fraternité“ rufen, sondern der Sound im digitalen Zeitalter eben ein anderer ist. „Unsere Träume und Pläne sind Wirklichkeit geworden“, schwärmt Bildungskommissar Ján Figel. Er meint damit, „dass wir das E-Twinning innerhalb nur eines Jahres für echte Kommunikation nutzbar gemacht haben“.

Wer jetzt nicht weiß, was E-Twinning genau sein soll, ist bei Figels Komoderatorin, Elisabeth Gehrer, an der richtigen Adresse. „Wir haben uns lange überlegt, wie man E-Twinning übersetzen kann“, hilft die resolute Bildungsministerin Österreichs, „es bedeutet ganz einfach, dass sich eine Schule in Europa einen elektronischen Zwilling sucht“.

Da sitzen sie also, die elektronischen Zwillinge aus 25 europäischen Ländern. Jeweils zwei, manchmal auch drei oder mehr Schulen aus ganz Europa unterhalten sich elektronisch über die Internetplattform. Lehrer, nationale Koordinatoren und ein ganzer Schweif von Mitarbeitern der Europäischen Kommission sind ins Design-Center im österreichischen Linz gekommen, um ein Jahr des digitalen Vernetzungsprogramms zu feiern. Heute sollen auch pädagogisch besonders innovative Projekte ausgezeichnet werden.

„Besorgen Sie mir mal auf die Schnelle einen Iren“, begründet Peter Leitl den großen Vorteil des E-Twinningnetzes. Geschichtslehrer Leitl wollte am Schigymnasium Stams ein Projekt über die mystische Historie Irlands installieren. Über die Zwillingsplattform hatte er flugs einen Partner, die Second Presentation School in Wexford. Jetzt, so erzählt er, werden die teils etwas spröden historischen Materialien zu einem persönlichen Erlebnis – weil es eben Iren gibt, die von vor Ort Mails schicken können. Ein Motivationsschub.

Schwung und Sprache, das scheinen die wesentlichen Elemente zu sein, die über das Netz in die Klassenzimmer kommen. „Der Englischlehrer der Klasse hat mich gefragt, wie ich das nur fertig gebracht habe“, berichtet Rita Schmidt über ihr Projekt mit dem ambitionierten Titel „Freundschaft und Teilen“. Die Norwegerin hat im Austausch mit einer finnischen Schule gemerkt, wie sehr der direkte Mailkontakt auch zurückhaltende Jugendliche stimuliert. „Hier beginnen Schüler im Englischen zu schreiben“, erzählt sie, „die man vorher nur schwer zum Sprechen brachte.“ Schmidt und ihre Kollegin Tiina Sarisalmi aus Orivesi (Finnland) haben einen der sechs ersten Preise gewonnen. Sie gehören damit zu den besten von 900 Schulen, die bereits einen Partner gefunden haben. 11.528 registrierte Schulen suchen noch danach.

„Man kommuniziert halt am besten, wenn man jemanden persönlich kennt“, sagt Norbert Krebs trocken. Lehrer Krebs ist aus Moers von der dortigen neu gegründeten Realschule, und er beschreibt den Vorteil von E-Twinning – und zugleich seinen Nachteil. Das Programm erhöhe das Interesse der Jugendlichen an ihren Partnern. Aber: „E-Twinning funktioniert nicht, wenn man’s nur elektronisch macht.“

Das Projekt seiner Schule am Jungbornpark mit vier europäischen Städten sieht daher ausdrücklich den gegenseitigen Besuch vor. Niederländer, Litauer, Slowaken und Schweden waren bereits in Moers, einmal ging die Reise an die Sekundarschule Kuršénai Pavenčiai nach Litauen. Krebs Kritik: „Die EU finanziert leider sehr wenig Schülermobilität.“ Das zeigte sich übrigens auch an der Linzer E-Twinning-Konferenz selbst. Schüler und SchülerInnen wurden dort nicht gesichtet.

Aber noch etwas anderes brachte das erste Treffen der elektronischen Zwillinge zutage: welche enorme Kreativität in Schulen stecken kann. Den Vogel schoss dabei die Partnerschaft der Escuela Infantil Gloria Fuertes (Spanien) mit der Przedszkole Publiczne Nr. 5 in Glogów (Polen). In diesem Projekt schreiben sich fünf- und sechsjährige Grundschüler – in englischer Sprache. Die Kinder selbst haben dabei eine Art virtuelles Lern- und Umgangsprogramm entwickelt. Bildungskommissar Ján Figel strahlte, weil der blutjungen Ost-West-Kooperation ganz praktisch gelingt, was in der europäischen Verfassungsdiskussion bislang nicht glückt: ein Bewusstsein Europas.

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