In der Bio-Nische wird es eng

Den Bio-Boom in Berlin bedienen viele Erzeuger aus dem Umland. Die Betriebe fürchten, dass der Bund die Förderung des Öko-Landbaus kappt. In diesem Fall stehen polnische Bauern schon bereit

von Till Ehrlich

Hohenbrück ist ein winziger Ort im nördlichen Spreewald. Am Rande einer Waldlichtung liegt einsam der Hof der Familie Paetsch, ein Bioland-Betrieb. Er hat sich mit Poularden, Hähnchen und Gänsen, aber auch mit Eiern, Spreewald-Gurken und alten Apfelsorten von der Streuobstwiese einen Namen in Berlin gemacht. Familie Paetsch vermarktet die Hälfte ihrer kleinen handwerklichen Produktion direkt über die Ökomärkte am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg und in der Domäne in Dahlem. Der Rest wird ab Hof verkauft, immer mehr Kunden kommen aus dem unmittelbaren ländlichen Umkreis von 30 Kilometern. Der Umsatz ist in den letzten Jahren gestiegen. Langsam, aber stetig, um insgesamt mehr als 10 Prozent. Die Akzeptanz von Bioprodukten steigt – auch in Berlin und Brandenburg.

Die Ankündigung von Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU), Biolandbau künftig weit weniger zu fördern, verunsichere auch die Biobauern in der Region Berlin-Brandenburg, sagt Bioland-Vorstand Thomas Dosch. Denn die Bioerzeuger brauchten stabile Rahmenbedingungen, um die nötigen Investitionen tätigen zu können, die eine Betriebsumstellung von konventionellem auf ökologischen Anbau erfordert.

Dadurch gingen der Region potenzielle Erzeuger verloren, die dem Grundsatz der kurzen Wege und frischen Produkte entsprechen könnten. Heute schon sind Kartoffeln und Fleisch knapp, weil die Zahl der Abnehmer steigt. Die Logik des Marktes lautet: Können die Produzenten im Umland nicht genug produzieren, werden die Produkte aus anderen Ländern importiert.

Schon heute kann in Berlin alles verkauft werden, was in Berlin und Brandenburg produziert wird. Vorausgesetzt, die Qualität stimmt. In den letzten fünf Jahren ist sie enorm verbessert worden. Schrumpelmöhren sind Geschichte. Terra Naturkost und Midgard, die wichtigsten Biogroßhändler in Berlin, haben strenge Qualitätskriterien. Sie kaufen ihre Sortimente vorwiegend bundesweit ein, arbeiten jedoch vor allem bei Obst, Gemüse, Fleisch und Milchprodukten eng mit den Bauern im Umland zusammen.

Zudem kaufen große Märkte wie die Bio Company, Biolüske oder die LPG direkt in Brandenburg ein. Kleine Naturkostfachgeschäfte verfügen meist nicht über den nötigen Absatz und die Logistik, um täglich direkt im Umland einkaufen zu können.

Bio ist längst keine kuschelige Nische mehr, sondern ein Wirtschaftssektor mit beachtlichem Wachstum: Über 3,5 Milliarden Euro wurden 2004 in Deutschland mit ökologischen Lebensmitteln umgesetzt. 2005 konnte der Handel einen Zuwachs von etwa 15 Prozent erzielen, trotz schwacher Binnenkonjunktur. Deutschland ist der attraktivste Bioabsatzmarkt Europas: 28 Prozent aller in Europa verkauften Bioprodukte werden bei uns gekauft.

Brandenburgs Bioproduzenten stehen im internationalen Wettbewerb. Der Feldsalat aus der Uckermark darf nicht weniger knackig sein als der aus Südfrankreich – und nicht teurer. Wettbewerbsbedingungen, die auf die Natur kaum Rücksicht nehmen: Die Risiken der Biolandwirtschaft sind im kühlen Brandenburg höher als im sonnigen Süden Europas, die Böden sind sandig und trocken, das nördliche Klima ist feucht und unbeständig.

Falls Seehofer seine Ankündigungen umsetzt, wird das die regionalen Bioproduzenten zusätzlich schwächen, Arbeitsplätze in Berlin und Brandenburg vernichten, nicht aber den expandierenden Biohandel. Der ist flexibel und schnell. Bioerzeuger in Dänemark, Österreich, Italien, Frankreich stehen bereit.

Die Ankündigung, dass Polen gänzlich auf gentechnische Landwirtschaft verzichten wird, könnte sich zum Standortvorteil entwickeln. Das Nachbarland würde so zum wichtigen Lieferanten für frische Bioprodukte in Berlin werden.