Kapitalismuskritik auf dem Lande

Auf dem „Karlshof“ bei Templin versucht eine Gruppe Idealisten, unkommerziell Landwirtschaft zu betreiben. Produkte sollen im Austausch mit anderen Gütern vertrieben werden. Das Projekt wird von einer Berliner Stiftung unterstützt

Ein paar Kilometer hinter Templin geht es von der Landstraße rechts ab. Der erste Eindruck: Tristesse. Lang gezogene Ställe säumen den holprigen Feldweg. Zu DDR-Zeiten haben hier über hundert Rinder und Milchkühe ihr Dasein gefristet. Wind und Wetter haben an den Gebäuden ihre Spuren hinterlassen. Die Wände bröckeln, die Tore und Fenster sind undicht. Die Löcher im Dach sind notdürftig mit Plastikplanen geflickt.

Hinter einer Kurve kommt das Auto vor einem zweistöckigen Wohnhaus zum Stehen. Die bunten Luftballons in den Fenstern täuschen nicht darüber hinweg, dass auch dieses Gebäude schon bessere Zeiten gesehen hat. Hier wohnen sie also, die Leute, die ihre politische Vision von einer solidarischeren, gerechteren Welt in der Uckermark zu leben versuchen. „Lokomotive Karlshof“ heißt das Projekt, das zurzeit von zwei Frauen, drei Männer und zwei Kindern getragen wird. Sie wollen auf dem Hof, der 23 Hektar Ackerland, 20 Hektar Grünland und drei Hektar Wald umfasst, „nicht kommerzielle Landwirtschaft“ zu betreiben.

Was sich dahinter verbirgt, entschließt sich Außenstehenden nicht auf den ersten Blick. Auch eine fünfseitige Projektbeschreibung hilft nicht weiter: „Wir treten aus aus dem Koordinatensystem von Markt und Staat: Wir ziehen uns aber nicht zurück. Uns geht es um die Wiederaneignung eines gesellschaftlichen Raumes und der kollektiven Gestaltung unserer Lebensbedingungen, also um die Frage der Autonomie.“

Ein Besuch auf dem Karlshof bringt Aufklärung. Peter, Sabine, René und Heiko haben sich um den Küchentisch versammelt. Alle haben die letzten Jahre in Berlin verbracht und dort in Wohngemeinschaften und ehemals besetzten Häusern gelebt. Die 39-jährige Sabine ist Sozialarbeiterin, ihr 45-jähriger Freund René Ethnologe, Peter und Heiko sind 30 und 32 Jahre alt und haben Landwirtschaft studiert. Die Gruppe versteht sich nur als Kerngruppe. „Der Karlshof verträgt locker 15 bis 20 Leute“, sagt Heiko und deutet damit an, dass noch Mitstreiterinnen und Mitstreiter gesucht werden.

Die wichtigste Information für potenzielle Interessenten aber ist: Das Land und die Gebäude des Hofs gehören einer Stiftung namens SDS. Ausgeschrieben: Stiftung für dissidente Subsistenz. Sitz ist Berlin, und die Gründungsidee ist, „Eigentum zu neutralisieren und der Spekulation zu entziehen“. Die Gruppe hat den Karlshof von der Stiftung nur unter der Bedingung geliehen bekommen, dass etwaige Überschüsse an die Stiftung zurückgeführt werden. Von dem Geld sollen dann andere linke Projekte unterstützt werden.

An Überschüsse ist zurzeit aber überhaupt nicht zu denken. Im Gegenteil. Um das abseits unter knorrigen Bäumen stehende Gutshaus und die übrigen Gebäude instand setzen zu können, muss viel Arbeit und Geld investiert werden. Im Moment reichen die Mittel der Gruppe gerade zum Lebensunterhalt. Dieser wird von Erziehungsgeld und Gelegenheitsjobs finanziert. Sämtliche Einkünfte wandern in eine gemeinsame Kasse. Dabei soll es auch bleiben, wenn im Frühjahr die erste Saat ausgebracht wird. Staatliche Fördergelder für die Landwirtschaft will die Gruppe in Anspruch nehmen. Mit Bankenkrediten will man nichts zu tun haben, heißt es. Ziel sei vielmehr, mit anderen Gruppen und Kooperativen einen Güteraustausch jenseits von Geld zu organisieren: Kartoffeln gegen Getreide oder Unterstützung durch handwerkliche Arbeiten und Ähnliches.

Mit der Landkooperative Longo maï in Mecklenburg-Vorpommern pflegen die Karlshofer bereits so einen Austausch. Auf dem „Ulenkrug“ der Longo maïs wartet auch ein Trecker für den Karlshof, der mit Spendengeldern repariert werden soll. „Wir haben nicht die Illusion, irgendwann ganz ohne Geld auszukommen“, sagt Peter. „Wir wollen auch mal ins Kino gehen. Es geht hier nicht darum, alles selbst zu organisieren.“ Auch als dogmatische „Bios“ verstehen sich die Karlshofer nicht, wenngleich sie ökologische Lebensmittel bevorzugen. Von Biohöfen allerdings, die sich wie ein Fisch im Wasser innerhalb des kapitalistischen Marktes bewegen, so René, „unterscheiden wir uns deutlich“.

PLUTONIA PLARRE

Kontakt: karlshof@gegenseitig.de