KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Kein Thema, nur Beunruhigung! Nicht das schlechteste Leitmotiv für eine der Überraschungen des zurückliegenden Gallery Weekends. Visuell zu beunruhigen, mag bisher Antrieb für Anselm Reyles eigene Kunst gewesen sein. Doch nun hat der Professor der Hochschule für Bildende Künste Hamburg die Gruppenausstellung „Spectra Vision“ mit sechs jungen Künstlern und Künstlerinnen kuratiert, die man sich merken sollte. Seine Schülerin Aleen Solari etwa hat eine Fassadenattrappe in die Galerie Hidari Zingaro gezimmert, die zur Bühne einer irritierenden Aufführung wurde. Auf einer Bank räkelten sich zwei gelangweilte Blondinen, drehten sich an den Haarsträhnen, schauten mal apathisch, mal herausfordernd in die Menge. Ein junger Mann saß in gleichfalls ambivalenter Präsenz auf einem Stuhl und rollte eine Bierflasche zwischen den Händen, einige weitere Pullen lagen zu seinen Füßen. Ganz offensichtlich nur eine performative Szene, fühlte sich das reduzierte Spiel der drei doch so nahbar an, dass sich im Publikum ein Gefühl der Nervosität breitmachte. Okka Hungerbühler studiert noch an der UdK und beweist absurden Humor. Am Boden hockt ein komisches Tier. Der trashig aus Stoff und Folie gebastelte Vogel wackelt ab und an mit dem Kopf, so als wolle auch er den Kontakt aufnehmen. Unwillkürlich nickt man ihm zu, ehe man sich anderen Skulpturen zuwendet. Etwa den plätschernden Zimmerspringbrunnen von J. E. Oldendorf. Der HfBK-Absolvent hat aus Ästen, Tupperware, Drehstuhlunterteilen und Wasserpumpen einen Kleine-Jungen-Traum vor sich hin kleckernder Objekte konstruiert. Und grelle Fluoreszenz darf bei Anselm Reyle auch nicht fehlen. In einem Separee probiert Mike Ruiz und Lukasz Furs aus, wie sich surrealistische und romantische Gemälde im Schwarzlicht vor psychedelischer Tapete verhalten (bis 20. Juni, Di.–Sa. 12–18 Uhr, Dieffenbachstr. 15). Auch George Condo studiert gern alte Meister. In der Galerie Sprüth Magers zeigt er nun seine dritte Soloshow und kann immer noch überraschen. Egal, ob er sich als neobarocker Feinmaler präsentiert oder jetzt mit Bronzeskulpturen und picassoesken „Drawing Paintings“ – nie kommt dem Amerikaner sein Witz abhanden. Wie üblich geraten die Gesichter seiner Figuren ins Rutschen: Ein hübsches Antlitz verwandelt sich in ein schielendes Konterfei, Comicfratzen grinsen aus allen Ecken, fröhlich deformiert sich alles Menschliche. Sein Metier sind dabei nicht nur vordergründige Zitate, sondern eine kunsthistorische Raffinesse, aus der sich seine immer neue Lust am Malen speist (bis 22. Juni, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Oranienburger Str. 18).