AKW-DEBATTE: DIE CDU POLEMISIERT, DIE SPD HÄLT AN ENERGIEPOLITIK FEST
: Viel Wind um die Kernkraft

Die Politik der Union gehorcht aktuell dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein. Gestern drehte zuerst Saarlands Ministerpräsident Peter Müller am Wasserhahn: Deutsche Kernkraftwerke sind nach menschlichem Ermessen sicher, so seine Behauptung. Zur Pumpe griff danach Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff: Deutschlands Kernkraftwerke sind hochmodern. Zuvor hatte schon Hessens Roland Koch gespritzt: Deutsche Kernkraftwerke liefern billig Strom. Vielleicht sollte man gar ein paar neue bauen?!

Aus allen Rohren also Wasser marsch in Richtung SPD. Und das, obwohl doch gerade erst die Tinte trocken ist, die den Koalitionsvertrag besiegelte. Erstaunt fragt man sich: Wie lange werden die Dämme wohl noch halten?

Dabei ist das Thema gänzlich ungeeignet, schon jetzt für erste Wasserschäden im neuen Regierungswohnzimmer zu sorgen. Tatsächlich nämlich geht es in der rot-schwarzen Legislatur allenfalls um den Reaktor Biblis A. Biblis B und Brunsbüttel können ganz legal Laufzeit von Mühlheim-Kärlich und Stade übernehmen, selbst der Block in Neckarwestheim ist von der Atomlobby zu retten – durch leicht gedrosselten Betrieb. Biblis A aber macht gerade mal ein Prozent der deutschen Stromproduktion aus. Worum geht es also bei diesem Streit?

Er sagt jedenfalls viel über die Rollenverteilung in der neuen Regierung aus: Die Angela-Merkel-Fraktion übt sich in Polemik, die SPD hält Kurs auf Erneuerung. Die käme nicht auf die Idee, das vor 35 Jahren gebaute AKW als „hochmodern“ zu bezeichnen. Ihr käme nicht in den Sinn, Pannenreaktor Biblis A als „nach menschlichem Ermessen sicher“ zu bezeichnen (allein 2002 wurden 15 Störfälle gemeldet). Und der fiele auch nicht ein, den Strompreis durch AKW-Laufzeitverlängerung senken zu wollen: Ein Prozent mehr Atomstrom 2009 sorgt garantiert für keinen Preissturz.

Ein Umbau des Energiesektors allerdings schon: Wenn eine kluge Politik den Innovationsdruck auf die Stromwirtschaft zu erhöhen weiß, könnte Ende der Legislatur zum Beispiel Windstrom auf dem Markt konkurrenzfähig sein. NICK REIMER