Aufatmen in Kiew nach Ende des Gasstreits

Viele Ukrainer werten den Kompromiss als Sieg. Experten rechnen schon bald mit neuen Attacken Moskaus

„Putin hat sich in eineSackgasse manövriert. Nunmusste er die Notbremse ziehen“

LWIW taz ■ Der Vorstandsvorsitzende des ukrainische Gaskonzern Ukrnaftogas, Olexij Iwtschenko, war zufrieden. „Wir haben gewonnen, weil die Wahrheit auf unserer Seite war.“ Die meisten Beobachter in der Ukraine werten den Kompromiss als gute Lösung für ihr Land. Die Ukraine konnte ihre Interessen verteidigen. Die russische Erpressungstaktik habe einen ähnlichen Effekt gehabt wie 2004 bei der Einmischung in den Präsidentschaftswahlkampf – sie habe die ukrainische Gesellschaft mobilisiert, ist vorherrschende Meinung.

Die Gründe für das Einlenken des Kremls liegen womöglich in der Befürchtung eines weiteren Imageverlustes im Westen, ein sicherer Lieferant zu sein. Aber auch die Position der EU und die Kritik in den westlichen Medien dürften nach Ansicht ukrainischer Experten ein Rolle gespielt haben.

Die Regierung kann aufatmen, die Bevölkerung ist erleichtert. „Putin hat sich in eine Sackgasse manövriert. Nun musste er die Notbremse ziehen“, meint Oleg, der eine Gaststätte in Lwiw (Lemberg) betreibt. Um die Gaslieferungen hat er sich keine Sorgen gemacht. Bei der Renovierung hat er einen modernen Gaskessel installieren lassen und den Verbrauch drastisch reduziert.

Ob es wirklich ein so klarer Sieg der Ukraine ist, bleibt fraglich. Russland wird versuchen, spätestens im Frühjahr die Ukraine erneut zu attackieren. Das Ziel könnte sein, die ukrainischen Erdölpipelines unter Kontrolle zu bringen, meint der Politikwissenschaftler Taras Wozniak. Da die Interessen des Westens nicht direkt betroffen sind, werde die Ukraine in diesem Fall kaum auf Hilfe von dort zählen können. Die Opposition nennt den Kompromiss einen Pyrrhussieg. Die Preiserhöhungen würden die ukrainische Wirtschaft in den Ruin treiben, behauptet Expremier Wiktor Janukowitsch. Doch die meisten Experten sind anderer Meinung. Den Anstieg der Gaspreise könne die ukrainische Wirtschaft gut verkraften. Sie könnte sogar Impulse für die Modernisierung der energieintensiven Anlagen geben. Zudem will Kiew mit der Durchleitung des russischen Gases nach Europa nach der vereinbarten Anhebung der Transitgebühren mehr verdienen – bis zu 2,4 Milliarden Dollar pro Jahr. JURI DURKOT