Gas bleibt aus, Regierung bleibt cool

In Deutschland und anderen Ländern Europas kommt weniger Gas aus Russland an. Vorläufig gibt es jedoch keine Versorgungsengpässe

Wegen der Koppelung des Gaspreises an den Ölpreis werden Preiserhöhungen derzeit ausgeschlossen

VON HANNES KOCH
UND NICK REIMER

Wegen des Konflikts um Erdgas zwischen Russland und der Ukraine ging gestern europaweit die Versorgung mir russischem Gas zurück. Auch in Deutschland meldeten unter anderem die Unternehmen Eon-Ruhrgas sowie die BASF-Tochter Wingas abnehmende Lieferungen. Ein Sprecher der BASF erklärte aber, die privaten und Firmenkunden würden weiter ausreichend und sicher beliefert.

Auf Initiative der russischen Regierung unter Staatspräsident Wladimir Putin hat der Staatskonzern Gazprom am Neujahrstag 2006 die Gaslieferungen an die Ukraine weitgehend eingestellt. Russland will eine Steigerung des Preises auf nahezu das Fünffache durchsetzen. Die ukrainische Regierung von Viktor Juschtschenko weigert sich, diese Bedingung zu akzeptieren.

Der Ressourcenkonflikt zwischen der östlichen Hegemonialmacht und seinem abtrünnigen Nachbarn im Westen hat sofort spürbare Auswirkungen für die Staaten West- und Südosteuropas. Selbst die französischen Gasimporteure erhielten gestern 25 bis 30 Prozent geringere Mengen, als vertraglich vereinbart sind. Der ungarische Gaskonzern MOL meldete einen Rückgang von 40 Prozent und erklärte, man müsse die Durchleitung nach Bosnien und Serbien beschränken. Die Slowakei stellte einen um 30 Prozent geringeren Gasstrom fest. Auch die Lieferung von der Ukraine nach Polen ließ nach, weshalb sich die dortigen Gasimporteure verstärkt aus weißrussischen Pipelines versorgen wollten.

Während die russische Regierung die Ukraine beschuldigt, vom für Westeuropa bestimmten Gas einen Teil abzuzweigen, sagte Präsident Juschtschenko, man leite alles vertragsgemäß durch. Gazprom teilte gestern am frühen Abend mit, man habe zusätzlich 95 Millionen Kubikmeter Gas in die Leitungen nach Westeuropa gepumpt, um den angeblichen Schwund in der Ukraine auszugleichen.

Vorläufig bräuchten sich die privaten und gewerblichen Verbraucher im Westen keine unmittelbaren Sorgen zu machen, erklärte derweil der Bundesverband der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) stellvertretend für seine Mitglieder, die Gasunternehmen. Der begründete Optimismus stützt sich vor allem darauf, dass vor allem in ausgedienten Salzbergwerken unter deutschem Territorium bereits importierte Gasreserven für 75 Tage lagern. Außerdem bezieht Deutschland zurzeit nur knapp ein Drittel seines Jahresbedarfs aus Russland. Während Norwegen gestern eine Steigerung der Produktion ausschloss, bot der niederländische Versorger Gasunie an, mehr Gas nach Deutschland zu liefern.

Der größte deutsche Gaskonzern Eon-Ruhrgas scheint derweil noch nicht sicher, was man von der neuen Situation zu halten hat. Einerseits erklärte man, mehr Erdgas aus anderen als russischen Quellen beziehen zu könnten. Andererseits bereitete Ruhrgas-Chef Burckhard Bergmann seine Firmenkunden darauf vor, dass „begrenzte Einschränkungen nicht ausgeschlossen werden“ könnten.

Mit Blick auf die traditionelle Bindung des Gaspreises an der Ölpreis schloss der BGW Preiserhöhungen aus. Der niederländische Lieferant Gasunie sieht das anders: Man liefere gerne mehr, aber dann könne es auch teurer werden. Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher regte sich vorsorglich auf: Das Gerede über Versorgungsengpässe und eventuelle Preiserhöhungen sei „völliger Unsinn“.

Anders die Bundesregierung. Sie bleibt cool – zumindest nach außen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet „eine vernünftige und schnelle Lösung“, die „einen tragbaren Kompromiss“ im Sinne Russlands und der Ukraine beinhaltet. Im Streit vermitteln oder Position beziehen will die Bundesregierung nicht. EU-Außenbeauftragter Javier Solana drängte Russland und die Ukraine zu Gesprächen.