Ex-RAF-Mann soll wieder in Haft

Den Haag macht Druck auf Berlin: Das Justizministerium fordert, Knut Folkerts müsse seine Strafe für den Tod eines niederländischen Polizisten im Jahr 1978 noch absitzen

BERLIN taz ■ Geht es nach dem niederländischen Justizministerium, dann muss das frühere Mitglied der „Roten Armee Fraktion“ (RAF), Knut Folkerts, zehn Jahre nach seiner Freilassung wieder in den Knast. Schon vor einigen Monaten forderte das Ministerium in Den Haag seine Berliner Kollegen auf, eine 1978 gegen Folkerts in Utrecht verhängte Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren zu vollstrecken.

Folkerts war im Sommer 1976 in den Untergrund gegangen. Die niederländische Polizei stellte ihn im September 1977 während der Schleyer-Entführung. Bei seiner Festnahme erschoss Folkerts den holländischen Polizisten Arie Kranenburg und verletzte einen zweiten Beamten.

Zwei Monate später verurteilte ihn ein Gericht in Utrecht zu 20 Jahren Haft. 1978 wurde Folkerts nach Deutschland ausgeliefert – allerdings mit Einschränkungen, weil die holländischen Gerichte die Schleyer-Entführung als „Nötigung von Verfassungsorganen“ (konkret: die versuchte Freipressung von RAF-Gefangenen) und damit als politisches Delikt werteten. Lebenslänglich erhielt er trotzdem. Vom Beifahrersitz eines Motorrads soll er am 7. April 1977 in Karlsruhe den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback und dessen zwei Begleiter erschossen haben.

Nach seiner Inhaftierung saß Folkerts vier Jahre in Einzelisolation, acht Jahre in einer Kleingruppe, er nahm an einem Dutzend Hungerstreiks gegen die Sonderhaftbedingungen teil. Folkerts gehörte mit seinen früheren Zellengenossen Lutz Taufer und Karl-Heinz Dellwo zu den Gefangenen, die den 1992 von der RAF erklärten Verzicht auf tödliche Anschläge unterstützten und damit das Ende der Roten Armee Fraktion einläuteten. Nach mehr als 18 Jahren Haft wurde Folkerts im Oktober 1995 „vorzeitig“ aus der Justizvollzugsanstalt Celle entlassen.

Den Tod des niederländischen Polizisten hat der heute 53-Jährige inzwischen öffentlich bedauert. Gleichzeitig weist er die Forderung zurück, ihn deswegen erneut ins Gefängnis zu stecken. Mit seinen Anwälten erklärte er im niederländischen Fernsehen, es sei zwischen beiden Staaten vereinbart, dass nur die deutsche Strafe zähle. Der Witwe des getöteten Polizisten wolle er sagen: „Ich bedauere, dass ihr Mann durch mich umgebracht wurde. Ich kann das nicht mehr ungeschehen machen, es ist passiert.“ Dass er aber erneut ins Gefängnis solle, „ist nicht gerechtfertigt und wird auch nicht geschehen.“

Nicht zuletzt auf Drängen von Joke Kranenburg, der Witwe des ermordeten Polizisten, richtete die niederländische Justiz ihr Rechtshilfeersuchen an Deutschland. Ihr Ziel: Folkerts soll das Urteil aus dem Utrechter Verfahren in der Bundesrepublik bis auf den letzten Tag verbüßen. Damit würde die niederländische Justiz die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Juli 2005 zum Europäischen Haftbefehl umgehen. Denn Karlsruhe hatte die Auslieferung deutscher Staatsbürger abgelehnt.

Der Justizstreit zieht sich. Das Hamburger Landgericht wird nicht vor dem Frühjahr 2006 über das Rechtshilfeersuchen entscheiden. Es hat weitere Unterlagen aus den Niederlanden angefordert. WOLFGANG GAST