„Einziehen oder wegziehen“

WOHNEN Der Abriss der Reihenhäuser am Nüßlerkamp hat begonnen. Viele Mieter sind enttäuscht – Michael A. hat den Kampf demotiviert aufgegeben

■ Der 47-Jährige wohnt seit über 20 Jahren in den Reihenhäusern am Nüßlerkamp. Er hat ein Diplom in Gestaltung und ist allgemein sehr an Kunst interessiert. Ob er in die neu gebauten Wohnungen einziehen wird, weiß er noch nicht. Seine Miete würde sich erhöhen.

taz: Herr A., haben Sie noch ein Dach über dem Kopf?

Michael A.: Ja, natürlich, aber ich werde nun umziehen. Den Kampf gegen den Abriss habe ich aufgegeben. Ich konnte dem Druck einfach nicht mehr standhalten und habe mich mit dem neuen Eigentümer geeinigt.

Die Stadt hat die Häuser am Nüßlerkamp an das Wohnungsbauunternehmen Sahle Wohnen verkauft, weil sie sie nicht mehr für zeitgemäß hält. Nun werden die Gebäude entfernt und neue Wohnungen gebaut. Dagegen haben Sie sich lange gewehrt.

Es ist einfach deprimierend. Über 20 Jahre lang wohne ich da schon, als Student bin ich eingezogen. Man hat so viel Zeit und Energie investiert. In der Öffentlichkeit wird es immer so dargestellt, als ob wir dem sozialen Wohnungsbau entgegenstehen. Das Gegenteil ist der Fall: Wir wollen den günstigen Wohnraum erhalten. Wir haben sogar unsere Mithilfe bei der Sanierung angeboten. Aber das ist alles einfach abgeschmettert worden.

Fühlen Sie sich hilflos?

Die Eigentümer können mit uns machen, was sie wollen. Man hätte 60 Wohnungen gut erhalten können, das wäre kein Problem gewesen. Stattdessen gibt es nun einen teuren Abriss und einen teueren Neubau. Das ärgert mich.

Wie bewerten Sie das Vorgehen der Stadt?

Sie hat die Wohnungen lange leer stehen lassen, auch im Winter wurde nicht geheizt. Natürlich rüttelt das an der Substanz. Wir wundern uns auch, dass die Wohnungen so günstig verkauft wurden. Der Verkehrswert soll bei vier Millionen Euro liegen, doch weggegangen sind sie für deutlich weniger. Wir haben mehrfach versucht, in die Verträge zu gucken – doch das wurde uns verweigert.

Was sagen Sie zu dem Argument, dass die kleinen Wohnungen nicht mehr der modernen Vorstellung entsprechen?

Experten vom Mieterverein und der Stadtentwicklung haben bestätigt, dass günstiger, kleiner Wohnraum in Hamburg benötigt wird: von Studenten etwa, oder von verwitweten Rentnern. Wir haben hier ideale Singlewohnungen, die es in der Metropolregion immer seltener gibt.

In den neuen Wohnungen kostet die Miete 5,80 Euro pro Quadratmeter. Was haben Sie bis jetzt gezahlt?

Jetzt liege ich bei 4 Euro pro Quadratmeter. Aber man darf nicht vergessen, dass seit über 30 Jahren seitens der Vermieter nichts mehr an den Wohnungen gemacht wurde. Seit Jahren findet auch keine Gartenpflege mehr statt. Wir sind quasi selbstverwaltet.

Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Wir werden zum 1. Juni in eine Übergangswohnung umziehen. Im Neubau werden für uns Wohnungen freigehalten, das ist aber auch das Mindeste, was wir erwarten konnten. Wenn das Gebäude steht, werde ich gefragt, und dann heißt es: Einziehen oder wegziehen. INTERVIEW: BENJAMIN KNAACK